Der Eunuch
angeheirateten Schwäger und Schwiegersöhne.
Was half dem Großwesir Ali Hakimsade, dem Doktorsohn, seine milde und erfolgreiche dreijährige Verwaltung - was der Beifall, der ihm gespendet worden war, als er in der letzten Ratsversammlung erklärt hatte, den persischen Feldzug wieder selbst als Serasker führen zu wollen? Er war bei Beschirs Gespräch mit dem Padischah und dessen Mutter nicht zugegen. Zu dritt waren sie und ohne Zeugen. Aigische Sultana hatte es so gefügt und damit mütterliche Absichten verbunden, die sich noch erfüllen sollten. Vorerst sprach man allerdings nur von Politik, wenn freilich alles, was den Padischah betraf, sich auch als Politik auswirken konnte, und das war mit dem, was die Walide anstrebte, mehr als sie es selbst wußte, der Fall. Sie wartete die reichswichtigen Erörterungen ab, an denen sie selbst interessiert war, weil sie wußte, daß sie das Gespräch auch ohne Gewaltsamkeit dahin lenken konnte, wo sie es haben wollte, und dann einem aufgelockerten Beschir gegenüberstehen würde. Denn Beschir, der Hüter höfischen Anstandes und des Zeremonials, hielt vorläufig noch streng auf gebührenden Abstand von den kaiserlichen Herrschaften, immer bereit, jedes Hofamt zu vertreten, dessen Träger gegebenerweise abwesend sein mußte. Im Augenblick kredenzte er den Herrschern Scherbet.
In einem kleinen Raum, mehr in einer großen Nische befanden sie sich, die achteckig in den Garten hinaus oder, von außen gesehen, in ein Tulpenbeet hineingebaut worden war. Die hohen Blumenstauden, die das Tulpenbeet und die Aussicht begrenzten, standen schon soweit entfernt, daß Lauschenwollen vergebliche Mühe bedeutet hätte. Beschir war noch lange nicht mit dem fertig, was er zu sagen entschlossen gewesen war, und eine Unterbrechung befürchtete er nicht. Immer nodi sah Mahmud in ihm den Lehrer und Beschützer seiner Jugend, den unentbehrlichen Diener seiner Herrschaft. Er war es.
der uneingeschränkt Beschir respektierte, während dessen Devotion mehr dem Herrscheramt seines ehemaligen Schülers galt. Natürlich war das ein Zustand, der ohne Mahmuds Besonnenheit und Rechtlichkeit kaum haltbar gewesen wäre. Viele andere — Sultan Osman etwa, sein Stiefbruder - hätten ihn nicht ertragen. Beschir sprach also ohne Arg und ganz wie ein Mann, der etwas bereits Geschehenes erklärt, nicht aber wie einer, der etwas noch zu Geschehendes sich vorzuschlagen erlaubt.
Und dann unterbrach Mahmud ihn doch!
Er tat es nicht überbetont, wie Menschen, die in ihrer Scheu schrecken und sich selbst Mut machen wollen, sondern mehr so, als gehe ihn die Sadie nicht eigentlich viel an. Auch sagte er beileibe nicht ,Exzellenz', was in diesem Fall wie Verweis und Vorwurf geklungen hätte, sondern ganz einfach ,Beschir', und es war wie eine Frage. „Was haben Sie eigentlich gegen den Großwesir, Beschir?“ fragte er. „Sind Euer Majestät mit Ali Hakimsades Wesirschaft zufrieden?“ „Wenn Sie es wären, würde ich es auch sein“, sagte Mahmud, und das war ein Pflaster für Beschir.
„Ich bin es“, sagte er.
„Und trotzdem wollen Sie ihn, wie ich Sie verstanden habe, absetzen?“
„Wer bin ich, Majestät, daß ich wollen könnte, wo mein Herrscher zu befehlen hat?“
Aber dieses Mal erfuhr Beschir zu seinem Erstaunen und auch zu seinem Erschrecken, daß er Mahmud ein wenig unterschätzt hatte. Sogar Aigische sah nicht ohne Überraschung auf ihren Sohn, den sie liebte.
„Beschir“, sagte Mahmud, und es war wie eine Bitte, „lassen Sie uns doch einmal frei von allem zueinander sprechen. Sie sind nicht Kislar, ich bin nicht Kaiser und Ihre kaiserliche Hoheit ist meine Mutter Aigische. Wir sind hier: Beschir, Aigische und Mahmud, nichts sonst. Soll es so sein?“
Beschir kreuzte seine Arme über der Brust und verneigte sich stumm. Er wußte, daß der Augenblick gekommen sei, daß er seine Macht verteidigen müsse.
„Beschir!“ begann Mahmud von neuem, und seine Stimme war warm und werbend, „ich bin Ihr Schüler. Iich hätte Ihnen einen begabteren gewünscht. .."
„Sultan Mahmud . ..!“ verwahrte sich Beschir.
„Ganz recht, ,begabteren' “, fuhr Mahmud aber fort. „Aber so unbegabt bin ich nun auch wieder nicht, daß ich überhaupt nichts von Ihnen gelernt hätte. Ich glaube Ihnen gern, mein weiser Lehrer. Aber das hindert nicht, daß ich nicht auch wissen möchte. Ich möchte wissen, warum Ali Pascha, der Bewährte, trotz großer Erfolge mein Siegel verlieren soll.“
Mit der
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