Der Eunuch
Füßen geschleudert hatte...“
„Majestät...", wies die Walide ihn zurecht.
„Ich tat es als Ibrahim der Drucker“, verteidigte sich Mahmud, „und so vergab ich nidits der kaiserlichen Würde. Aber bei meiner Beschäftigung mit den Damenfüßen erblickte ich einen Knöchelreifen. Er war nichts Allzukostbares; dennoch behielt ich ihn wegen der Form im Gedächtnis. Und jetzt besitze ich ihn. Genauer gesagt: Ich stahl ihn.“
„Wann geruhten kaiserliche Majestät sich huldreichst jenes Reifens zu bemächtigen?“ fragte Beschir verwundert. „Sahen Majestät die Dame denn ein zweites Mal?“
„Das wußten Sie nicht?“
Beschir, überrumpelt, entschloß sich zur Wahrheit. „Nein“, sagte er. „Allah sei Dank!“ rief Mahmud. „Es ist schön zu denken, daß der Allwissende es auch Ihnen verwehrt, ihm zu gleichen, daß es Dinge gibt, die sogar Ihnen unbekannt bleiben. Auf diese Weise sind Sie nicht immer zu allen Zeiten der weise Lehrer, und das macht Sie menschlicher, Beschir. Hören Sie also. Die Dame nahm großen Anteil an der Druckerei und versprach, sie zu besichtigen. Wie verabredet, benachrichtigte sie mich auch, das heißt, sie benachrichtigte den Drucker Ibrahim, für den sie mich hielt, und kam. Wenn sie auch viel an mir auszusetzen hatte, so ließ sich doch sonst alles ganz gut an, und ich bin überzeugt, wenn ich nur den richtigen Augenblick hätte abwarten können, um ihr beizubringen, daß ich der Kaiser sei..."
„Hat es die Dame erschreckt?“ fragte die Walide.
„Den Eindruck hatte ich nicht, liebe Mutter. Als sie es durch die sehr peinliche Dazwischenkunft meines Bruders Osman ganz plötzlich erfuhr, antwortete sie mit zwei kräftigen Backpfeifen.“
„Welch Verbrechen! Welch todeswür ..."
Den Rest ihrer Worte verschluckte die Walide, weil sie auf die gelassene Miene Beschirs starren mußte, über die sogar - es schien ihr eine Halluzination gewesen zu sein - soeben noch ein Hauch von Heiterkeit geschwebt hatte ...
„Dem könnte ich nicht zustimmen, meine Herrin“, meinte Mahmud inzwischen. „Nicht nur deswegen nicht, weil der richtige Ibrahim die Backpfeifen bekam; denn gegolten haben sie mir. Aber man kann sie eben nicht mit anderen Mädchen vergleichen.“
„Sie sehen selbst, Beschir, wie es steht“, sagte sie nicht ohne eine kleine Ironie. „Jenes Mädchen kann man nicht mit anderen Mädchen vergleichen. Die Familie Osman ist ebenfalls nicht mit anderen Familien zu vergleichen. Sie kennen sie als Kislar Aga, und ich habe in sie hineingeheiratet, und so kenne ich sie auch. Wir sind beide über sie unterrichtet, und auch Sie werden sich wohl zuweilen gewundert haben. Manche von ihren männlichen Mitgliedern - ich denke an meinen Schwager Ahmed — stürzen sich wie Wölfe in ganze Herden von Frauen und können nie genug davon kriegen. Und dann gab es wieder den Dynastiegründer Osman, der jahrelang um die Priestertochter Malchatun freite, ferner Sulejman, den Gesetzgeber, mit der Kaiserin Churrem und Sulejmans Vater, den blutigen Selim, der vor nidits Angst hatte, als nur vor seiner schönen Hafssa Chatun und deren Drohung, sich von seinem Bett zu scheiden. Seine Majestät haben manche Ähnlichkeit mit diesen Vorfahren, für die man meine
Leute, von denen ich stamme, nicht verantwortlich machen kann. Von mir hat er das nicht. Ich bin aus einer christlichen Familie Georgiens, und dort zählt man den Männern die Frauen nicht nach, bei denen sie - außer bei ihren eigenen - verstohlenerweise liegen. Zum Glück sind wir beide, ich und Sie, Beschir, Rechtgläubige und dienen dem Kalifen. Wenn Sie also wissen, wo jenes Mädchen zu finden ist.
„Sie ist uns nicht erreichbar“, erklärte Beschir und legte den Ton eines Bedauerns, das er nicht empfand, in seine Worte. Man verlangte Julienne von ihm, mit der seinem Alter ein Glück aufgespart worden war, das er nicht missen wollte. Er hatte Mahmud beschützt und begünstigt, doch jetzt begann er, ihn als Räuber zu empfinden, mehr noch: als Erpresser. Dieser junge Mann sei, durch Geburt und von ihm gehoben, ins Herrscheramt gelangt, und wenn er dessen Ansprüchen allein auch nicht gewachsen sei, so gehe doch jede Macht im Reiche von ihm aus - er könne eine verliehene oder gewohnheitsmäßig anerkannte in jedem Augenblick zurücknehmen, wenn es ihm beliebe. Seinem Kislar brauche er nicht einmal ein Siegel abfordern zu lassen, mit keiner Zeile ihm seinen kaiserlichen Willen zu verkünden, er brauche sich ihm nur zu entziehen,
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