Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Eunuch

Titel: Der Eunuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
Vom Netzwerk:
steht es im Register, und ich habe es nie vergessen. Iich kann meinen Padischah nur daran erinnern, daß ich schon einmal habe gehen müssen.“
    „Um dann zurückberufen zu werden!“ fiel die Walide ein.
    „Das zweitemal“ - Beschir dehnte die Silben - „könnte es leicht nach einem Ort sein, von wo man nicht zurückberufen werden kann.“ „Beschir!“ rief Aigische, „bekämpfen Sie diese Bitterkeit, die Sie ungerecht macht. Wir, mein Sohn und ich, werden nie vergessen..." „Ich meine ebenfalls, mein Vater“, trieb es nun auch Mahmud ... „Wir Menschen“, erwiderte Beschir gelassen, „wir halten uns gern für Herren unseres Tuns. Wir sind es nicht. Auch ein Padischah ist es nicht. Aber schon gar nicht wäre es Ali Pascha, ein so braver Mann er sein mag. Mit seinem Sieg könnte er nicht aufhören, mich zu bekämpfen. Nicht eine Stunde würde er sich seiner Macht sicher fühlen, solange ich lebte. Dagegen kommt nichts auf, auch nicht, daß ich meinem Padischah einmal einige Kenntnisse und Erkenntnisse beibringen durfte.“ - Mutter und Sohn erschauerten.
    „Gilt das auch von Ihnen, mein Vater?“ fragte Mahmud. „Ich meine, dieser Zwang ..."
    „Nicht ganz“, warf Beschir hin. „Ich brauche nicht Alis Leben, sondern nur sein Siegel.“
    Die behagliche Heiterkeit, die sonst bei allem Ernst der Gespräche immer von Beschir ausgegangen war, herrschte gar nicht mehr in der Nische. Von den drei Menschen, die sich vor den aufgetauchten Spannungen fürchteten und doch nicht die Worte fanden, sie zu lösen, faßte sich als erste die Walide. Ganz nüchtern stellte sie bei sich fest, daß der Vorschlag ihres Sohnes - der eben auch nur ein Mann sei, wie weiland ihr eigener -, alle Hemmungen fallenzulassen, ein großer Mißerfolg gewesen sei - der arme Junge, der es doch so gut gemeint habe! - Aus sicherem weiblichem Instinkt erfaßte sie, daß ein heilsamer Wechsel des Themas alle Gegensätze verschwinden lassen könnte.
    „Beschir“, sagte sie, „du bist genauso ein Bock wie die andern, womit ich nicht leugnen will, daß du von allen andern der Verständigste bist. Und in der Sadie mit Ali hast du recht „Meine Herrin“, wollte Mahmud widersprechen ...
    „Mein Sohn“, unterbrach ihn Aigische, „ich war vor dir da, und du bist es nur, weil ich dich ausgetragen und geboren habe, während ich selbst auch ohne dich da sein würde. Ich bereue nidits und erfreue mich deines Daseins; aber jetzt laß deine Mutter reden, deine und des Reiches Mutter.“
    „Ich bin meiner Herrin gehorsamer Sohn“, erklärte Mahmud und fühlte sich wie in der Jugendzeit sehr zufrieden und sehr beschützt, wenn die Mutter ihn in Krankheitsfällen ins Bett gebracht hatte. Die Mutter war über ihm. Nichts konnte ihm widerfahren.
    „Besdiir“, sagte Aigische unterdessen, „erinnern Sie sich noch unseres Gesprächs über ein Mädchen?“
    „Ich erinnere mich, Hoheit.“
    „Sie versprachen mir nichts. Sie vermuteten nur etwas. Können Sie mir sagen, ob sich Ihre Vermutung bestätigte?“
    „Das kann nur mein Padischah sagen. Wenn Majestät geruhen würde, mir einige Fragen zu beantworten?“
    „Wovon sprechen Sie eigentlich, Sie, meine Mutter, und Sie, Beschir?“
    „Von einem Mädchen, von einer Dame vielmehr. Sie war Gast Ihrer kaiserlichen Hoheit im Alten Serail...“
    Ein leichter Aufschrei der Walide unterbrach Beschir.
    „Oh, dann kenne ich sie. Aber ich kenne nicht ihr Geheimnis. Sie sagten es mir nie, Beschir. Sie gaben Sie in meine Obhut und nahmen sie wieder fort. Sie tun immer das, was Sie wollen“, schloß sie. „Aber ein ungewöhnliches Mädchen ist sie“, fügte sie noch hinzu.
    Mit einem hechelnden „Ja - ja - ja - ja!“ hatte Mahmud die Worte seiner Mutter begleitet, wie ein Windhund, der im Begriff ist, sich von der Leine zu reißen.
    „Ja!!!“ schrie er mehr, als daß er es sagte. „Ein ungewöhnliches Mädchen! Oh, wie danke ich Ihnen, meine Mutter, für diese Worte!“ „Geschah es damals“, mischte Beschirs Sachlichkeit sich ein, „als Majestät zum erstenmal und insgeheim die Druckerei besuchten?“ „Natürlich wußten Sie es, Beschir, man entgeht Ihnen nicht. Ja, damals geschah es. Iich kam ins Alte Serail, um Ihrer kaiserlichen Hoheit Bücher zu bringen, und dort fand ich die Dame in der kleinen Audienz. Meine Mutter empfing gerade die englische Gesandtin. Die Dame, von der wir sprechen, war also allein und war verzweifelt. Ich streifte ihr die Schuhe wieder über, die sie von ihren

Weitere Kostenlose Bücher