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Der Eunuch

Titel: Der Eunuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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wie er es zu tun bereits begonnen habe. Sei es aber in Wirklichkeit Ali Pascha gewesen, der Mahmud seinem Kislar habe Widerstand leisten lassen? Nein, Julienne sei es gewesen und Unmut darüber, daß sein Verlangen nach dem Mädchen nicht befriedigt worden sei. Gewohnt, alles von seinem Kislar zu erwarten, erfülle es ihn mit Erbitterung, die Begehrte nicht schon längst in seinem Bett vorgefunden zu haben, ihm hineingelegt von Beschir. Um einer eingebildeten Verliebtheit willen, der es an jeder natürlichen Voraussetzung fehle, sei Mahmud bereit, die Beständigkeit der Reichsleitung in Frage zu stellen.
    Wenn sich Beschir bewußt gewesen wäre, wie sehr er sich von seiner früheren klaren Gelassenheit entfernt habe, und zwar aus Gründen, die von denen Mahmuds nicht gar so entfernt waren - vielleicht hätte es ihn erschreckt. Aber er war sich nicht bewußt und empfand Julienne über die Bitterkeit der Trennung hinweg als wohlverwahrt in ihrer Wiener Unerreichbarkeit. Das war sein wahres Gefühl, indes er seiner Stimme den Ton des Bedauerns gab.
    „Haben Sie immer noch keine Nachricht von ihr?“ drängte nun auch Mahmud.
    „Ich kann nur wiederholen, was ich vor kurzem Ihrer kaiserlichen Hoheit mitzuteilen die Ehre hatte, und kann nur hinzufügen, daß sich bis jetzt nichts daran änderte. Die Dame befindet sich nicht innerhalb der Grenzen des Osmanischen Reiches. Aber ...“ Beschir holte Atem, „mein Padischah, darf ich Euer Majestät untertänigst die Überlegung anraten, ob sich die Lage wirklich für Ihre Wünsche günstig gestalten würde, wenn die Dame sich in der Türkei befände?“
    „Meinen Sie nicht, daß ich sie dann sprechen könnte?“ fragte Mahmud mit einer Schüchternheit, die Aigisches Mutterherz rührte. Beschir war weniger anfällig.
    „Majestät werden das selbst am besten beurteilen können“, sagte er kühl. „Bis jetzt wissen wir nur, daß wir die Dame kennen. Was wir aber von ihr wissen, ist weder ermutigend noch viel. Wie lange ist es her, daß Majestät Sie sahen? Zwei Jahre, drei Jahre? Wir haben es also mit einem Erinnerungsbild Euer Majestät zu tun, und was aus der Ferne verlockt, könnte - wenn mir die Bemerkung erlaubt ist - mit seinen echten Farben enttäuschen ..."
    „Sie wird mich nicht enttäuschen, kann es nicht!“ rief Mahmud heftig. „Oh, Beschir .. .“
    „Nun ja“, meinte jetzt auch Aigische. „Sie in Ihrem Alter, Beschir, und . ..", aus Gründen des Taktes hielt sie mit einem Hauch von Verlegenheit inne, um dann um so entschlossener fortzufahren: „Seine Majestät dürfte über die Stärke seiner Gefühle und Hoffnungen genauer unterrichtet sein als wir. Eine Enttäuschung aber, so sehr ich sie beklagen würde, ist leichter zu ertragen als dieses ungestillte Verlangen des Erhabenen nach einem Menschen, von dem er sich Heil erwartet.“ -
    Beschir verneigte sich ohne zu antworten.
    Es sei ja so begreiflich! dachte er. Die Walide kämpfe um eine Gelegenheit, ihren Sohn den natürlichen Beziehungen vom Mann zur Frau zu gewinnen. Und sei hier nicht die Jugend - sei hier nicht der Herrscher . . . und sei hier nicht das Reich, seine erste Geliebte, die dann auch seine letzte sein würde? Mit Zärtlichkeit und Kummer
    dachte er an Julienne - aber ihre Freundschaft würde sie ihm auch als Mahmuds Geliebte erhalten. Davon war er fest überzeugt. Und dann: Mahmud beherrschend - und sie würde ihn beherrschen! könnte sie die Beständigkeit seiner Macht garantieren und seiner Politik, die sie selbst billige.
    Der Gedanke schmerzte. Beschir konnte nicht mehr lächeln über sich. Er blickte seiner Eifersucht ins Gesicht und erkannte ihre Echtheit. Wie weit habe die Eifersucht ihn - er selbst ohne den Zügel des Verstandes - über jede Wahrscheinlichkeit hinausgetrieben! Julienne
    - Mahmuds Geliebte. Wieviel liege nicht zwischen beiden! Würde sie den Sultan begehren, ihn lieben oder wie man es nennen wolle? Und würde sie ihn nehmen, wenn er sie nicht geistig auszufüllen vermöge? - Und dann gab es da noch etwas sehr Gewichtiges: Julienne war des Prinzen Nichte.
    Schon begann die Pause drückend zu werden, und so war es für Beschir an der Zeit zu antworten.
    „Eure kaiserliche Hoheit“, sagte er, und seine Förmlichkeit kündigte etwas Neues an, das sich dem Gespräch über Gefühle, Hoffnungen und Enttäuschungen nicht einfügen würde. Eine Schutzmauer war dieses Neue, doch das wußte nur Beschir, der sich hinter ihr verbarg. „Kaiserliche Hoheit“, fuhr er fort,

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