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Der Eunuch

Titel: Der Eunuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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vor Beschir. Doch genüge als Antwort das äußere Geschehen, entschied er schnell, die Hintergründe sei er niemandem schuldig, auch nicht dem Kaiser.
    „Das wäre allerdings, wie Majestät bereits andeuteten, das Nächstliegende gewesen, und so war es beabsichtigt —“
    „Nur beabsichtigt? Iich hoffe, sie wurde nicht bei Nacht und Nebel insgeheim über die Grenze geschafft?“
    „Keineswegs. Aber ebensowenig konnte man sie mit geziemendem Ehrendienst nach Belgrad geleiten, da die Dame sich entschloß, in Stambul zu bleiben.“
    „In Stambul?!“
    Mahmud sprang auf; aber das zählte schon nicht mehr. Es war nicht das erste unkaiserliche Verhalten bei dieser Unterredung.
    „Aus eigenem freiem Willen blieb sie bei uns“, versicherte Beschir. „Sie unterfertigte ein Schriftstück, das uns für jeden Fall . . ." „Ich zweifele keinen Augenblick, Exzellenz, daß alles auf das trefflichste geordnet wurde“, unterbrach Mahmud. Seine Leidenschaft hatte sich bis zu einem Zustand gesteigert, daß sich für ihn die Welt in widerstrebende Menschen und Dinge oder ebenso hassenswerte gleichgültige spaltete. Er konnte nicht warten, nicht eine Sekunde konnte er warten.
    „Sie ist also hier. Wo finde ich sie, daß ich sie sehen, daß ich berichtigen kann, was verfehlt wurde? Ich muß sie sehen! Iich muß sie sprechen! Sie sagten doch, Beschir, daß sie hier sei...“
    „Sie ist es nicht mehr, Majestät“, ließ sich Beschir mit einer Sachlichkeit vernehmen, die Verweis war. Eine böse Wollust, das sagen zu können, war in ihm.
    „Nicht mehr hier?“
    „Nein.“
    „Und Sie ließen sie gehen?“
    „Ja.“
    „Und Sie wußten, wie sehr ich ihrer bedurfte und ließen sie dennoch gehen? Oh, ich weiß, Sie sind tadelfrei und hatten die besten Gründe. Die Nichte des Prinzen Eugen, der Padischah und die Folgerungen, die sich für das Osmanische Reich hätten ergeben können. Es beliebte Ihnen, wieder einmal Allah zu spielen, mein unterwürfiger Diener. Was bin ich in ihren Altersaugen? Ein unzuverlässiger, junger Mensch, der zu seiner Aufgabe angehalten werden muß wie der Schüler zu seinem Klassenziel. Was wissen Sie, der Sie nur noch denken und nichts mehr fühlen? Sie sind ein großer Mann, Beschir, und ich bin ein mißratener Prinz. Sie sind der Schöpfer meiner Macht, und ich bin Ihr Geschöpf. Aber eins kann ich noch: Ich kann hassen. Und das bin ich selbst. Und Sie hasse ich, Beschir, mein Kislar Aga, hohe Exzellenz - ich hasse Sie, hasse Sie, hasse Sie!“
    Nichts hätte Mahmud hemmen können. Man hätte ihm mit der Hand den Mund zuhalten müssen, und es wäre nichts gewonnen gewesen. In diesem Augenblick konnte nur die Walide helfen. Sie tat es, indem sie ihren Sohn umschlang.
    „Vergiß nicht, Mahmud, Beschir war immer unser Freund und ist es noch. Versündige dich nicht und höre ihn an. Sprechen Sie, Beschir, ich beschwöre Sie: Sprechen Sie.“
    Matt und geschlagen löste sich Mahmud aus den Armen der Mutter und sah den Geschmähten an.
    „Mein Padischah möge verzeihen“, begann Beschir mit der Stimme eines Arztes, der einem Kranken zuspricht, „aber von dem Verlangen Eurer Majestät nach der erwähnten Dame erfuhr ich erst von Ihrer kaiserlichen Hoheit, als die Hanum schon fort war.“
    „Abgeschoben über die Grenze?“ höhnte Mahmud.
    „Nicht ganz“, sagte Beschir gelassen. „Die Baronin vom Vorberg geruhte, sich der kaiserlich osmanischen Post zu bedienen und im Palais des Grafen Thurn, des neuen römisch-katholischen Bischofs von Belgrad, Residenz zu nehmen.“
    „Und sie hat nie von mir gesprochen? Nie vom Drucker Ibrahim, der ich war? Nie von unserer Zusammenkunft in der Druckerei?“
    „Wenn die Dame den Padischah erwähnt haben sollte - erinnern kann ich mich nicht -, so geschah es doch nie im Zusammenhang mit Eurer Majestät und der Dame eigenen Person.“
    „Nie ...", wiederholte Mahmud. „Nicht einmal erwähnt..
    Audi er ... dachte Beschir und hätte beinahe die Hände nach Julienne ausgestreckt, so leibhaftig sah er sie vor sich.
    „Und wo ist sie jetzt?“ fuhr der Sultan auf. „Ich sehe es Ihnen an, Beschir, daß Sie es wissen.“
    Beschir schwieg.
    „Sagen Sie es Seiner Majestät“, flehte die Walide, „wenn es ein Geheimnis ist, wird mein Sohn es wahren.“
    Mit einem Ruck faßte sich Beschir. Er war wieder wach.
    „Mir genügt der Befehl meines Padischahs“, sagte er. „Er ist der Kalif. Er ist Allahs Mund und weiß, daß es tödliche Geheimnisse

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