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Der Eunuch

Titel: Der Eunuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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gibt.“
    „Sprechen Sie“, bat Mahmud.
    „Sie ist in Wien.“
    „Beim Prinzen?“
    „Ich bin dessen sicher.“
    „Und sie wird bei ihm bleiben, bei ihrem Onkel? Was frage ich noch?
    Sie war hier, eine Abendländerin bei uns, und nachdem sie alles gesehen und sich über alles bei uns hinreichend belustigt hatte, kehrte sie in die Heimat und zu ihren Verwandten zurück - genauso, wie zur Zeit meines Onkels Ahmed jene Gesandtin, jene englische Lady... Oh!“ Länger vermochte er nicht an sich zu halten, und seine ganze Verzweiflung, seine Bitterkeit und Selbstverhöhnung brach in banalen Worten aus ihm heraus: „Es ist alles so einfach, alles so natürlich, so selbstverständlich, und ein Narr ist, der sich darüber wundert.“ Er schwieg, um nach einer Pause hinzuzufügen: „Ich bin so ein Narr.“ „Mein Sohn, mein armer Junge“, hauchte die Walide, von dem Unwert ihrer Beschwichtigung selbst überzeugt. Das sei eben das Ende einer Episode, die sich so lange zäh hingezogen und von deren glücklichem Ausgang sie so viel für ihren Mahmud erhofft habe. Und nicht einmal eine Medizin sei verschüttet worden. Jetzt stelle es sich heraus, daß das, was sie dafür gehalten habe, niemals eine gewesen sei. Weder Mutter noch Sohn zweifelten, daß mit den Worten: ,Sie ist die Nichte des Prinzen und bei ihm in Wien'  alles zu Ende sei. Beschir konnte das Gespräch abbrechen. Er hätte keinen Widerstand gefunden. Aber er war es auch gewesen, der Julienne gefragt hatte, ob sie die Reise machen wolle, die für sie weniger gefährlich sei, als für jeden andern - immerhin noch gefährlich genug. Aber als sie beide damals den Plan überlegt hatten - er und Julienne —, war alles mit äußerster Schärfe des Verstandes errechnet, nichts improvisiert, nichts dem Zufall überlassen worden. Mit dem ganzen Leichtsinn des Intellekts waren sie vorgegangen. Für Gefühl war in ihrem Plan kein Platz gewesen. Aber die Gefühle hatten mit der Gewalt des Selbstverständlichen ihren Platz eingenommen, und nun waren Beschirs Gedanken täglich und stündlich bei Julienne.
    Das allein ermöglichte es Beschir, Mahmud zu begreifen. Es wäre furchtbar für ihn, wenn Julienne nicht zurückkehren würde, und ebenso empfand Mahmud, hoffnungslos wie er war, ihr Fernsein schon jetzt. Aber was würde sein, wenn sie, wie Beschir überzeugt sein wollte, zurückgekehrt wäre? Könnte ihm Mahmud jemals verzeihen, wenn er jetzt schwiege? Und wenn er nicht verzeihe .. .?
    Nein, es war nicht zu Ende. Beschir erkannte, daß er zu den vielen
    Opfern, die er dem Osmanischen Reich gebracht hatte, ein neues zu bringen habe. Aber sei es denn ein Opfer . . . falls es eins sei, habe er überhaupt etwas aufzugeben, was er jemals in Wirklichkeit besessen habe? Überheblichkeit lag ihm fern. Er, ein alter Eunuch, und dagegen Mahmud, ein gutaussehender jüngerer Mann und obendrein der Padischah - welch eine Vermessenheit, dieser Vergleich! Eine Laune gegen eine echte Liebesmöglichkeit - könne Julienne zögern? Beschir zweifelte nicht daran, daß er von ihr Abschied nähme, wenn er jetzt spräche. Und er nahm Abschied von ihr; denn er sprach.
    „Mir scheint“, sagte er, „daß Euer Majestät Allerhöchstdero Interesse für die erwähnte Hanum durch deren Reise nach Wien als gegenstandslos betrachten. Wie sich das Fräulein Eurer Majestät gegenüber verhalten wird - darüber weiß ich natürlich nichts. Im Augenblick wird sie es selbst nicht wissen. Aber daß wir ihre Rückkehr erwarten dürfen, das anzunehmen bin ich den Umständen nach berechtigt.“ „Beschir!“ rief Mahmud. „Ist das wahr?“
    „Soweit ein Mensch den andern zu kennen vermag, ist es wahr“, versicherte Beschir und gedachte dabei frauenbetörender junger Männer, an denen in Wien gewiß kein Mangel sei und von denen ein einzelner jede noch so sichere Erwartung vereiteln könnte. Was dann, wenn Julienne sich in einen von diesen Elegants verliebe? Ihre Kutte würde sie nicht davon abhalten.
    „Allah sei Dank“, meinte die Walide zu Beschir, „dann werden Seiner Majestät Wünsche vielleicht doch noch erfüllt werden.“
    „Bis jetzt sehe ich nur eins, was dafür spricht.“
    „Und was ist das?“
    „Die beiden Ohrfeigen, die Majestät von der Dame zugedacht waren.“
    „So ist es!“ ereiferte sich Mahmud, „Sie meinen doch auch ...“ „Mein Padischah“, sagte Beschir, „als Euer Majestät Erster Diener habe ich Sie von allem rechtzeitig zu unterrichten, was Eurer Majestät

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