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Der Eunuch

Titel: Der Eunuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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Wenn Gerechtigkeit dabei ist, geht unsern Janitscharen der Stoch nicht an die Ehre. Sie nehmen ihn als etwas Selbstverständliches hin, um hinterher alles abzuschütteln, als sei nichts gewesen. Unrecht leiden sie nicht. Wer einen Janitscharen in Bosnien leichtsinnig anhustet, hat damit zu rechnen, es in Bagdad büßen zu müssen, und sei es nach einem Jahrzehnt. Da gibt es kein Vergessen und kein Verzeihen, und ich muß es als überzeugenden Beweis menschlicher Dummheit betrachten, daß Janitscharenoffiziere diesen ersten Buchstaben des osmanischen Abc so wenig kannten.“ „Und von alledem weiß der Padischah, wissen die Herren der Kuppel und des Diwans gar nichts?“
    „Nichts.“
    „Und Exzellenz sagten es ihnen nicht?“
    Beschir zögerte und antwortete dann entschlossen:
    „Wozu? Wenn sie die Truppen hätten marschieren lassen, wäre nichts geschehen und würde auch nichts geschehen. Jedenfalls nicht in Stambul.“
    Sulali hörte es mit Genugtuung. Jetzt erst fühlte er sich ganz sicher; denn nun war er überzeugt, daß Beschir Aga die alleinige Macht wolle und nur sie.
    „Mit Gewesenem können Sie mich also verschonen“, schloß der Kislar. „ Iich bin seit einigen Stunden von Skutari zurück und möchte wissen, was in dieser Zeit dort geschah und was, während wir hier sprechen, vermutlich im Lager geschieht.“
    „Gestern erregte die Truppen das Gerücht, daß um Täbris gar nicht gekämpft worden sei, sondern daß Ibrahim Pascha den Befehl zur Übergabe schon vorher hingesandt habe.“
    „ Haben Sie diese Lüge erfunden ? “ Sulali verneigte sich geschmeichelt. „Nicht unbegabt“, fand Beschir, „aber zu schwach. Erregung ist gut, doch wir brauchen die Meuterei, ihren offenen Ausbruch.“
    „Heute“, berichtete Sulali weiter, „ist die Schreckensnachricht in die Regimenter gefahren, daß sämtliche osmanische Provinzbesatzungen sich in Richtung auf Stambul flüchten.“
    „Wir müssen ganz sicher gehen“, meinte Beschir. „Wo stehen die höheren Offiziere? Haben sie sich angeschlossen?“ „Noch nicht.“
    „Sehen Sie, das ist es. Noch schwebt die Waage. Vielleicht nicht einmal das. Die Offiziere sind bei uns keine Menschenklasse für sich wie bei den Ungläubigen. Gewiß, manche von ihnen sind aus dem Pagenkorps hervorgegangen, aber die meisten kommen aus den Reihen der Gemeinen. Sie kennen ihre Kameraden, und bis jetzt setzen sie nicht auf den Aufstand. Gerüchte, sie mögen noch so gut erfunden und noch so gut gelenkt sein, führen allein nicht zum Ziel. Es muß etwas geschehen, etwas Handgreifliches, aber nicht tausend Meilen von hier entfernt, sondern hierselbst, wo die Soldaten hinlaufen können, um zu hören, zu sehen und ... mitzumachen.“
    „Wobei, Exzellenz?“
    „Beim Aufstand natürlich. Wenn die Truppen ihn nicht machen -machen ihn wir.“
    „Aber in Skutari, Exzellenz . . .“
    „Nicht in Skutari, sondern in Stambul.“
    „Aber in Stambul liegt kaum noch Militär. Die paar tausend Mann! “ „Das Gerücht macht hunderttausend daraus, und wir machen das Gerücht.“
    „Der Schwindel würde sich bald herausstellen, wenn die Regimenter herüberkämen.“
    „Ich glaube nicht recht an Regimenter, die herüberkämen! Bis ein solcher Übergang befohlen und durchgeführt wäre, verginge eine geraume Zeit.“
    „Oder Abordnungen aus den Regimentern, Exzellenz?“
    „In jedem Fall hilft uns unsere stärkste Verbündete.“ Beschir lächelte.
    „Unsere ...? Wer? Eine Verbündete?“
    „Die Dummheit, Hochwürden. - Ich bemerkte schon: Sie sind kein Militär. Darum sagen Sie das Richtige und urteilen falsch. Natürlich müßte die Generalität bei der ersten Nachricht einige Regimenter nach Stambul übersetzen lassen. Vielleicht würden sie ihre Leute bei den Fahnen halten. Und da das nicht sicher ist, wird es eine geraume Weile dauern, bis sie sich entschließen. Vergessen Sie nicht, daß der Großwesir-Oberbefehlshaber sich im Lager befindet und dazu noch der Großherr selbst! Und dann müssen Sie sich noch die Frage vorlegen, was die Stambuler Behörden beim Ausbruch unserer kleinen Revolte tun würden.“
    Sulali überlegte und begriff.
    „Allerdings, ja!“ rief er. „Sie würden den Verkehr zwischen den beiden Ufern unterbrechen!“
    „Zuverlässig, mein Lieber. Ich kenne die Herren und habe noch niemals bemerkt, daß sie eine Dummheit, die zu machen war, nicht gemacht hätten. Und hier sind gar zwei zu machen. Im Notfall wäre zwar ich noch da, aber ich

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