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Der Eunuch

Titel: Der Eunuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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mit ein paar Freunden allein. Man wird dich an den Haken schlagen, mein Lieber, und das ist nicht die angenehmste Art, um Leute sterben zu lassen.“
    „Ohne Rakije mag ich nicht mehr leben!“
    Beschir war weise genug, mehr die augenblickliche Stärke dieses Gefühls als seine Dauer in Betracht zu ziehen. Einige Tage werde es sich in jedem Fall halten, dachte er.
    „Also siegen oder sterben?“
    „Ich werde schon ein paar mitnehmen - aber Offiziere!“
    „Meine Frage war falsch, Janitschar. Gerade wenn du siegen solltest, steht dir der schmähliche Tod am nächsten. Du machst den Aufruhr, und dann kommen die Nutznießer. Die aber lieben wohl die Revolution, doch nicht den Revolutionär.“
    „Ich werde schon auf meiner Hut sein.“
    „Ich habe dich gewarnt und warne dich noch einmal. Dieses ist das letztemal.“ Dabei erhob sich Beschir und trat, die Hände auf der Lehne, hinter seinen Stuhl. „Lohnt es sich wirklich, Patrona Chalil“, sagte er dabei sehr sanft und sehr leise, „nur um deiner Hure willen
    Weiter kam er nicht. Ein röhrender Wutschrei, ein geschwungener Säbel und ein in Abwehr erhobener Stuhl - das war eins und das erste. Das nächste war Sulali, der an Chalils Handgelenk hing, während Chalil schrie:
    „Du Schuft! Du Hurensohn! Du dreckiges Schwein ohne Sack! Du...! “ „Genug! Ich bin zufrieden“, sagte Beschir so gelassen, daß Patrona vor Verblüffung den Säbel sinken ließ. „Darum schwöre ich dir etwas, Janitschar.“
    Immer hatte Beschir einen Koran in der Nähe, und so trat er auch jetzt an den Tisch und legte die Hand darauf. Ob es freilich ein wirklicher Koran oder ein anderes Buch war, wußte er nicht so genau, und das ließ sich bei der schlechten Beleuchtung auch nicht gleich erkennen. Um so ernster meinte es Beschir mit dem Schwur.
    „Wenn du siegst“, gelobte er, „soll es für dich nicht umsonst gewesen sein. Rakija Hanum“, sprach er mit einer ihm amtlich geläufigen Feierlichkeit, „wird als Ehefrau des Patrona Chalil in einem kaiserlichen Palast niederkommen, und die Sultana Walide, die Kaisermutter allerhöchstselbst soll der Dame Rakije mit ihrem Glückwunsch Scherbet schicken, den die Allerhöchste mit ihrem ambraduftenden Munde berührte.“
    Patrona war überwältigt, und nichts Höheres hätte Beschir einem irdischen Mädchen, und sei es des Scheichs von Mekka eigener Tochter, versprechen können, als einen solchen Huldbeweis. Kein Rechtgläubiger zweifelte: der Padischah sei Allahs Schatten auf Erden; nichtswürdig aber der Sohn, der seiner Mutter Gehorsam versage, und somit sei die Sultana Walide das Höchste, was es gebe. Doch Beschir wußte, wohin er den Janitscharen schickte, während er nicht wußte, wie lange er sein Verbündeter bleiben würde.
    Die Fleischkessel spielten bei den Janitscharen eine große Rolle, worauf schon die gekreuzten Löffel an den Mützenschilden hinwiesen. Es war das Zeichen des Aufruhrs, wenn die Regimenter sie aus den Kasernen fort und zu ihren Fahnen auf dem öffentlichen Versammlungsplatz hinschleppten.
    „Wieviel Mann“, fragte Beschir, „kannst du bis Sonnenaufgang zusammenbringen? Kannst du hundert?“
    „So viel Sie wollen. Zweihundert oder ..
    „Zweihundert sind besser als hundert. Also pünktlich vor dem Tor der Moschee Sultan Bajesids dem Löffelmarkt zu mit Geschrei durch den alten Besestan, wo wir jetzt sind. Laßt die Kaufleute ihre Buden schließen. So hin zum Fleischmarkt mit allen Regimentskesseln, die ihr kriegen könnt. Öffnet die Gefängnisse. Dort sitzen Leute, wie ihr sie braucht. Alles rote Tuch beischaffen, was zu haben ist. Die Mitläufer sollen rote Kopfbinden umlegen. Das unschlüssige Volk wird, damit man es verschone, sich um die Binden reißen und damit den Aufstand selbst gegen seinen Willen stärken. Wir brauchen etwas Neues. Es wird der Aufstand der roten Kopfbinden sein. Wenn ihr soweit seid, bekommt ihr neue Weisung. Verstanden?“
    „Alles verstanden.“
    „Dann eil dich. Man wird dich führen.“
    Hastig wandte sich Patrona Chalil zur Tür, als ihn Beschir noch zurückhielt.
    „Und vergiß nicht, Patrona Chalil: der kaiserliche Palast und der kaiserliche Scherbet. Mehr habe ich nicht versprochen.“
    „Das genügt“, rief der Janitschar überschäumend. „Das andere hol’ ich mir selbst! “

5
    Der Kapudenpascha der osmanischen Flotte überdachte an diesem schönen Morgen des achtundzwanzigsten Septembers 1730 nicht die Schlagkraft seiner glorreichen Armada, sondern mehr

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