Der Eunuch
warum ich überhaupt nodi mit Ihnen rede.“
„Um so dankbarer bin ich Ihnen dafür. Nun weiß ich doch, daß Sie meine Angaben über Ihre Herkunft nachprüfen konnten.“
„Sie sagten es mir auf eine anständige Weise. Aber das Schändliche bei der Batthany ist es, daß sie mit Hinsicht auf meine Herkunft liebend gern mit mir tausdien würde. Sie ist nämlich eine geborene Stratmann, die Tochter eines Bürgerlichen, der wegen wirklich großer Verdienste später geadelt wurde. Für eine hochfürstliche Geburt -auch ohne kirchlichen Segen - würde sie dreimal ihren Herrn Vater verleugnen.“
„Die Welt, in der Sie leben, Julienne, ist in der Tat ein wenig seltsam.“
„Ihre vielleicht nicht?“
„Unsere Türkei ist eine Männerwelt. Ausschließlich. Wollten Sie das sagen? Aber sehen Sie, Julienne: ein Kampf von Männern mit
Frauen? - das ist ein Kampf wie mit Quallen. Je fester der Mann zudrückt, je weniger bleibt ihm in der Hand.“
Julienne sah ihn groß an, bevor ihr die Erleuchtung kam.
„Ach so“, sagte sie, „daher Eunuch? Sie drücken nicht zu, und darum bleibt Ihnen mehr in der Hand von den Frauen und von deren Macht?“
Beschir schmunzelte.
„Unsere Welten mögen sein wie sie wollen. Sie jedenfalls beginnen, die unsere zu verstehen.“
„Es scheint so.“ Aus einem ihr unerklärlichen Mißbehagen äußerte sie es kürzer, als sie gewollt hatte.
„Ganz recht“, sagte Beschir denn auch. „Nidit um unsere Welt handelt es sich, sondern um Ihre Heimreise. Über die Sache selbst bestehen keine Meinungsverschiedenheiten. Wien, Stambul und keinswegs zuletzt Sie, Julienne, wollen sie und müssen sie wollen. Nur über die Art könnte man verschiedener Meinung sein. Sie kennen also Herrn von Talmann nicht?“
„Wer ist das?“
„Der Wiener Resident bei der Pforte. Sehen Sie drüben das Gassengewimmel? Das ist Galata, und das große Gebäude am Rande, ein wenig höher, ist das Palais des Woiwoden von Galata. Dort lebten Sie. Das gelichtetere Viertel darüber ist Pera. Das höchste Haus darin ist die holländische Gesandtschaft, etwas tiefer liegt die österreichische. Von dort aus konnte Herr von Talmann gut und gern zusehen, wie Sie, die er suchen sollte, ihm vor seiner Nase weggeschleppt wurden. Seien wir ehrlich: dafür konnte er nichts. Aber es ist ein wenig komisch, und so etwas von einem Diplomaten zu wissen, ist immer gut. Man kann ihn gegebenenfalls damit in Schach halten. Ein anderes dagegen ist es mit der Art, in der er sich Ihre Heimreise dachte. Er hoffte, Sie irgendwo aufzustöbern und Sie dann ohne viel Aufhebens nach Ungarn zurückzuschaflen. Das verrät eine tiefe Unkenntnis der Verhältnisse. Bei Sklavenhändlern ließ er Sie suchen! Kein Sklavenhändler hätte gewagt, auch nur Auskunft über Sie zu geben, geschweige, Sie zu kaufen. Sie sind ein viel zu heißes Eisen, Julienne.“ „Auch für die Pforte?“
„Gut bemerkt. Nur ... um einige ganz wenige Grade zu gut. Iich hoffe. Sie ließen mich keinen Fehler machen, Julienne? Es gibt wenige Leute, denen ich das verzeihen würde, ausgenommen natürlich die, denen ich meine Fehler verzeihen müßte. Und dazu gehören Sie. Wien liegt für midi zu weit... abseits.“
„Das würde mich beruhigen, wenn ich glauben dürfte, daß man midi nach Wien ließe. Aber trotzdem will ich mich an Sie wagen, Beschir. Sie machten nämlich wirklich einen Fehler.“
Mit einer eleganten Gebärde lud er sie zum Sprechen ein.
„Talmann - so heißt er doch? - hätte sich sagen müssen, daß ich nicht vierundzwanzig Stunden auf türkischem Boden sein konnte, ohne daß man über meine Person Bescheid wußte ...“
„Bitte, weiter ..."
„Nun ja - auch das plötzliche Verschwinden aller Personen, in deren Gewalt ich war und die etwas über mich aussagen konnten — meine Reise von Nisch nach Galata, der Transport in den Prinzessinnenpalast und von dort in den Harem der Walide - das geschah doch nach einem festgelegten ... Plan?“
„An dem der Aufstand, die Unruhen keinen Anteil hatten?“
„O doch! Aber die Lenkung parierte alle Zwischenfälle.“
„Die Lenkung? Welche Lenkung?“
„Nun, die Ihrer Regierung, Ihrer Polizei, irgendwelcher Behörden!“ „Recht schmeichelhaft für unsere Behörden. Übrigens auch Ihrerseits recht begabt erdacht. Aber zulernen müßten Sie doch noch einiges, ehe Sie für Wien zu brauchen wären.“
„Für Wien zu brauchen? Was verstehen Sie darunter?“
„Nun, ich würde, wenn ich der zuständige
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