Der Eunuch
auftreibt. Viel wird es nicht sein. Nur von unseren Hofdamen können wir Ihnen keine mitgeben. Mit unserem Harem haben Sie nichts zu tun. Dagegen gibt es genügend Präzedenzfälle, daß Ehreneunuchen christlichen Damen beigeordnet wurden. Im übrigen müssen Sie sich mit Nonnen behelfen.“
„Danke, Beschir - ich zweifele nicht daran, daß Ihr Hof bei dieser Gelegenheit alles tun wird, um Wien zu übertrumpfen. Auf midi können Sie dabei rechnen. Über die offizielle Darstellung meiner Leiden, die keine waren, und meiner ,glanzvollen Befreiung durch die Pforte“ werden wir uns noch einigen. Am besten wäre es, Sie schrieben das selbst auf.“
„Danke, Julienne.“
„Ich bin es, die immerhin einige Ursache hat, Ihnen zu danken.“ Die letzten Sätze waren kühl und geschäftsmäßig gewechselt worden, als sei alles zu Ende. Nun aber wurde Julienne ganz Vorwurf: „Auf meine Frage, ob ich wohl auf diese Weise nach Wien käme, haben Sie mir allerdings nicht geantwortet.“
„Zieht es Sie so sehr nach Wien?“
„Midi zieht nichts nach Promontor.“
„Und Wiens sind Sie nicht einmal sicher. Nach Ihrem Übertritt bei Belgrad könnte man die Welt ebenso gut wissen lassen, Baronesse Juliane vom Vorberg habe sich auf ihre Güter nach Ungarn begeben. Wenige Wodien später spräche man nicht mehr von Ihnen. Der Prinz, meine Teure, hat noch andere, und zwar legitime Verwandte. Daß er sich Ihrer überhaupt annahm, muß einen Grund haben, den wir nicht kennen. Jedenfalls kenne ich ihn nicht.“
„Meinen Sie ich etwa ...?“
„Nein, Sie kennen ihn auch nicht.“
„Dann geben Sie wenigstens zu, daß meine Lage alle3 andere als
beglückend ist.“ „Sie haben die Wahl, und das ist viel für einen Mann und noch mehr für eine Frau.“
„Eine Wahl? Ich?“
„Jawohl, zwischen einer halben und einer ganzen Gewißheit. Die halbe ist Wien. Eine Kanalisation und eine Wasserleitung wie Stambul hat keine abendländische Stadt, und es ist noch gar nicht so lange her, da trieb sich das Federvieh, und statt unserer Hunde trieben sich Schweine auf den Wiener Gassen herum. Heute dürfte das in den Hauptstraßen nicht mehr üblich sein. Wie ich aus Abbildungen ersah, sind dort inzwischen schöne Gebäude entstanden. Sie dagegen kennen nichts außer Promontor, den paar Schlössern Ihrer Umgebung und vielleicht Buda und Pest, und so würde Wien Sie möglicherweise befriedigen. Aber die Menschen, mein Kind. Sie haben es erfahren, welche Rolle Sie für den einzelnen spielen. Sehr groß ist Wien nicht. Die in sich noch vielfach geteilte bürgerliche Gesellschaft der Gelehrten, Künstler, wohlhabenden Leute, nichtadeligen Beamten, die noch am ehesten etwas zu bieten hätte, ist Ihnen, auch wenn Sie sich über die abendländischen Vorurteile hinwegsetzen wollten, verschlossen. Unser Hofkürschner Paraskowitz, obendrein ein Ungläubiger, ist nicht nur ein reicher, sondern bei uns auch ein so einflußreicher Mann, daß fremde Höfe, darunter der Wiener, sich um sein Wohlwollen bemühen. In Wien selbst würde er in den Adelspalästen auf die Bediententreppe verwiesen werden. Für Sie, Dame Julienne, käme nur die Hofgesellschaft in Frage, die Sie von Promontor her in einigen Exemplaren bereits kennen. Beim Prinzen freilich wären außerdem noch Gelehrte und Künstler von Rang anzutreffen, viele Ausländer darunter. Aber das hindert den Prinzen nicht, Tag für Tag bei der Batthany vorzufahren, um dort. .. Karten zu spielen. Trotz allem zweifele ich nidit, daß Sie mit einer angemessenen Mitgift von seiten des Prinzen in Wien einen Mann fänden.“
Julienne wurde rot vor Ärger.
„Sie sind sehr klug, mein Herr“, sagte sie spitz. „Könnten Sie mir nicht auch verraten, was ich mit einem Mann anfange?“
„Das kann ich Ihnen nicht sagen, meine Dame, nur soviel, daß Sie ihn gar nicht zu suchen brauchten. Man würde Sie auch ohne Ihr
Zutun verheiraten. Die Hofgesellschaft und die Kaiserin würden es dem Prinzen sehr übelnehmen, wenn er es nicht täte.“
„Meine Mutter war auch nicht verheiratet“, stieß Julienne wild hervor, „oder wenn - dann doch nur in einer ungültigen Ehe mit einem Abbe, der die Weihen hatte. Doch davon verstehen Sie nichts.“
„Ich verstehe nur soviel davon, daß ich mir für Sie ein anderes Leben wünsche als das von Mademoiselle Soissons.“
„Und ich mir ein anderes als das einer Haremsfrau!“ war Juliennes hoffärtige Antwort.
„Harem heißt ,heilige Hürde“, und ihr Sinn ist, die
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