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Der ewige Gaertner

Der ewige Gaertner

Titel: Der ewige Gaertner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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die, dass Rob oder Lesley oder beide, nachdem man ihnen diesen Aufsehen erregenden Mordfall entzogen hatte, auf die Idee gekommen waren, abzukassieren. Aber warum hier und jetzt, Herrgott noch mal? Irgendwo in diesem Durcheinander vermutete Woodrow auch Tim Donohue, aber nur, weil er ihn für einen zwar senilen, jedoch aktiven Ungläubigen hielt. Donohue, der mit seiner kugelrunden Frau Maud im hintersten Winkel des Zelts gesessen hatte, war ihm an diesem Abend wieder einmal wie der Inbegriff drohenden Unheils erschienen.
    Bei all dem achtete Woodrow sehr genau auf seine Umgebung, nicht viel anders, als schaute er sich in einem Flugzeug, das in Turbulenzen geraten ist, nach den Notausgängen um: die schlecht eingeschlagenen Zeltpflöcke und die schlaffen Spannschnüre – mein Gott, der kleinste Windstoß könnte das ganze Ding umpusten! –, die schlammverschmierten Kokosmatten in dem mit Zeltplanen überdachten Verbindungsgang – da könnte jemand ausrutschen und mich verklagen! –, die unbewachte, offene Tür zum Untergeschoss – irgendwelche Einbrecher könnten das ganze Haus ausräumen, und wir würden nichts davon mitkriegen.
    Als er an der Küche vorbeikam, beunruhigten ihn die vielen ungebetenen Gäste, die sich in der Hoffnung, vom Buffet möge auch für sie etwas abfallen, in seinem Haus eingefunden hatten und wie von Rembrandt gruppiert im Schein einer Sturmlaterne zusammenhockten. Mindestens ein Dutzend, vielleicht auch mehr, schätzte er entrüstet. Dazu ungefähr zwanzig Kinder, die auf dem Fußboden kampierten. Na ja, genau genommen waren es sechs. Nicht weniger erzürnte ihn der Anblick der blauen Jungs, die ihre Jacken und Pistolen über die Stuhllehnen drapiert hatten und gleichermaßen schläfrig wie betrunken am Küchentisch saßen. Ihr Zustand überzeugte ihn jedoch davon, dass sie als Verfasser des Briefes, den er immer noch gefaltet in der Hand hielt, nicht in Frage kamen.
    Mustafa ging mit der Taschenlampe voraus durch die Diele bis zur Haustür. Philip und Harry!, dachte Woodrow in jähem Schrecken. Gott im Himmel, wenn die mich jetzt sehen würden! Aber was würden sie schon sehen? Ihren Vater im Smoking, die schwarze Fliege lose um den Hals. Warum sollten sie auf die Idee kommen, dass er die Schleife für den Henker gelöst hatte? Und außerdem – fiel ihm jetzt ein – hatte Gloria die Jungen für diese Nacht bei Freunden untergebracht. Sie hatte genug Diplomatenkinder auf Tanzpartys erlebt und wollte Philip und Harry dergleichen ersparen.
    Mustafa hielt die Tür auf und winkte mit der Taschenlampe nach draußen. Woodrow trat vors Haus. Es war stockfinster. Gloria, stets für Romantik zu haben, hatte Kerzen in Sandsäcken aufstellen lassen, die jedoch aus unerfindlichen Gründen fast alle nicht mehr brannten. Muss mit Philip reden; der Junge treibt mir in letzter Zeit etwas zuviel Unfug. Es war eine schöne Nacht, aber Woodrow war nicht in der Stimmung, die Sterne zu betrachten. Mustafa glitt wie ein Irrlicht die Auffahrt hinunter und winkte ihm mit der Taschenlampe. Der Baluhya-Pförtner öffnete das Tor, und seine zahlreichen Familienangehörigen verfolgten Woodrows Bewegungen wie immer mit gespanntem Interesse. Fahrzeuge parkten auf beiden Straßenseiten, ihre Bewacher dösten auf dem Grasstreifen oder sprachen im Licht winziger Flammen leise miteinander. Autos der Marke Mercedes waren am häufigsten vertreten: mit Fahrern, mit Bewachern, mit Schäferhunden. Dazu die üblichen Gruppen von Eingeborenen, die nichts anderes zu tun hatten, als das Leben an sich vorüberziehen zu lassen. Der Lärm der Band war hier vorne genauso entsetzlich wie hinten im Zelt. Woodrow hätte es nicht überrascht, wenn ihm am nächsten Morgen ein paar förmliche Beschwerden ins Haus geflattert wären. Diese belgischen Spediteure in Nummer zwölf zeigen dich ja schon an, wenn dein Hund es wagt, in ihren Luftraum zu furzen.
    Mustafa war neben Ghitas Auto stehen geblieben. Woodrow kannte es gut. Hatte es oft genug heimlich von seinem Bürofenster aus beobachtet, meist mit einem Glas in der Hand. Ein japanischer Kleinwagen, so winzig, dass er sich, wenn Ghita sich da hineinzwängte, vorstellen konnte, wie sie in ihren Badeanzug stieg. Aber warum bleiben wir hier stehen?, wollten seine Augen von Mustafa wissen. Was hat Ghitas Auto damit zu tun, dass ich erpresst werde? Er versuchte zu kalkulieren, wie viel man wohl von ihm verlangen würde. Ein paar Hundert? Ein paar Tausend? Vielleicht auch Zehntausende? Er

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