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Der ewige Gaertner

Der ewige Gaertner

Titel: Der ewige Gaertner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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Nachbarn zu all dem sagen würden; schließlich hatte Gloria nicht alle einladen können, weil sich die Waffenschmuggler und Drogendealer sonst in dem Zelt gegenseitig auf die Füße getreten wären – und offenbar hatte Woodrow diesen Scherz zwei unglaublich dicken Burschen in Eingeborenentracht mitgeteilt, denn sie bogen sich vor Lachen und erzählten das Ganze ihren Frauen weiter, die ebenfalls losprusteten.
    Ghita. Was zum Teufel soll das schon wieder? Genau wie bei der Kanzleibesprechung. Immer wenn ich sie ansehe, sieht sie weg. Immer wenn ich wegsehe, sieht sie mich an. Es ist zum Aus-der-Haut-Fahren. Und wieder musste Woodrow seine Gedanken laut geäußert haben, denn Meadower, ein Langweiler aus dem Muthaiga Club, stimmte ihm unverzüglich zu und bemerkte, wenn er die jungen Leute so tanzen sehe, frage er sich, warum sie nicht gleich auf der Tanzfläche eine Nummer schöben und die Sache hinter sich brächten? Damit sprach er Woodrow aus der Seele, und gerade, als der seine Zustimmung in Meadowers Ohr brüllte, erschien der schwarze Engel Mustafa und baute sich vor ihm auf, als wollte er ihm den Weg versperren, dabei hatte Woodrow gar nicht vor, irgendwo hinzugehen. Woodrow fiel auf, dass Mustafa nichts in der Hand hatte. Das ist ja eine Unverschämtheit! Wenn die herzensgute Gloria den armen Burschen anheuert, damit er hier die Leute bedient, warum zum Teufel tut er das dann nicht? Was steht er da wie das personifizierte schlechte Gewissen, mit leeren Händen, mal abgesehen von dem gefalteten Zettel in der einen Hand, und schneidet Grimassen wie ein Goldfisch? Will er mir was mitteilen?
    »Der Junge sagt, er hat eine Nachricht für Sie«, schrie Meadower.
    » Was? «
    »Streng vertraulich, sehr dringende Nachricht. Irgendein scharfes Mädchen hat sich Hals über Kopf in Sie verliebt.«
    »Hat Mustafa das gesagt?«
    »Wie?«
    » Ob Mustafa das gesagt hat? «
    »Wollen Sie nicht rausfinden, wer es ist? Wahrscheinlich Ihre Frau!«, brüllte Meadower und brach in hysterisches Gelächter aus.
    Oder Ghita, dachte Woodrow, und sein Herz machte einen unvernünftigen Hüpfer.
    Er trat einen Schritt zur Seite. Mustafa folgte ihm und stellte sich so, dass ihre Schultern sich beinahe berührten. Für Meadower mussten sie aussehen wie zwei Männer, die sich im Wind gegenseitig ihre Zigaretten anzünden. Woodrow streckte die Hand aus, und Mustafa legte ihm ehrerbietig den Zettel hinein. Ein weißer Bogen, Din-A4, klein zusammengefaltet.
    »Danke, Mustafa«, schrie Woodrow. Sollte heißen: Verzieh dich.
    Aber Mustafa blieb, wo er war, und forderte Woodrow mit Blicken auf, die Nachricht zu lesen. Na schön, blöder Hund, dann bleibst du eben hier. Kannst ja sowieso kein Englisch lesen. Er faltete das Blatt auseinander. Computerausdruck. Keine Unterschrift.
     
    Sehr geehrter Herr,
    in meinem Besitz befindet sich eine Kopie des Briefs, den Sie an Mrs Tessa Quayle geschrieben haben und in dem Sie sie auffordern, mit Ihnen durchzubrennen. Mustafa wird Sie zu mir bringen. Bitte sagen Sie niemandem etwas davon und kommen Sie sofort. Ansonsten sehe ich mich gezwungen, anderweitig darüber zu verfügen.
     
    Keine Unterschrift.
    ***
    Woodrow fühlte sich, als hätte ihn ein Wasserwerfer mitten ins Gesicht getroffen: Mit einem Schlag war er stocknüchtern. Ein Mann auf dem Weg zum Schafott denkt an viele Dinge zugleich, und Woodrow, wenngleich er mehr als genug von seinem eigenen steuerfreien Whisky getrunken hatte, machte da keine Ausnahme. Er nahm an, dass die Transaktion zwischen Mustafa und ihm der Aufmerksamkeit Glorias nicht entgangen war, und er hatte Recht: Sie würde ihn auf keiner Party mehr aus den Augen lassen. Also winkte er ihr quer durchs Festzelt beruhigend zu, signalisierte ihr mit den Lippen »Alles in Ordnung« und trottete dann gehorsam hinter Mustafa her. Als er an Ghita vorbeikam, sah sie ihm zum ersten Mal an diesem Abend direkt in die Augen, und ihr Blick erschien ihm kühl und berechnend.
    Unterdessen zermarterte er sich das Hirn, wer der Erpresser sein mochte. Als erstes verdächtigte er die anwesenden Polizisten. Seine Beweisführung ging folgendermaßen: Die blauen Jungs hatten irgendwann das Haus der Quayles durchsucht und dabei entdeckt, was Woodrow selbst nicht hatte finden können. Einer von ihnen hatte den Brief an sich genommen, um eine Gelegenheit abzuwarten, Kapital daraus zu schlagen. Diese Gelegenheit hatte sich jetzt ergeben.
    Fast gleichzeitig fiel ihm eine zweite Möglichkeit ein, nämlich

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