Der ewige Held 01 - Die ewige Schlacht
meine Liebe für Iolinda. Diese Liebe schien eine stillere, reinere Liebe zu sein, so sehr viel befriedigender als die gewöhnliche, triebhafte Liebe. Es war etwas anderes. Vielleicht war das die Hohe Minne, die die Ritter der Christenheit vor allem anderen schätzten.
John Daker hätte von sexuellen Hemmungen gesprochen und von Schwertern als Ersatz für Geschlechtsverkehr und so weiter.
Vielleicht hätte John Daker recht gehabt. Aber ich empfand es nicht so, obwohl ich mir all der vernünftigen Argumente wohl bewußt war, die eine solche Ansicht untermauerten. Die menschliche Rasse hat die verhängnisvolle Neigung, alle vorangegangenen Zeitalter nach den gerade gültigen Regeln zu beurteilen. Die Regeln dieser Gesellschaft waren sehr viel anders, als die John Dakers - der meisten Unterschiede war ich mir kaum bewußt. Gemäß diesen Regeln liebte ich Iolinda. Das ist alles, was ich sagen kann. Und spätere Ereignisse, vermute ich, ergaben sich auch aus diesen Regeln.
Ich nahm Iolindas Gesicht in beide Hände, neigte meinen Kopf und küßte sie auf die Stirn. Sie küßte meine Lippen und ließ mich dann allein.
»Werde ich dich sehen, bevor wir auslaufen?« fragte ich, als sie an der Tür stand.
»Ja«, sagte sie. »Ja, mein Liebster, wenn es möglich ist.«
Als sie gegangen war, fühlte ich keine Trauer. Ich prüfte noch einmal die Rüstung, und dann ging ich hinunter in die Halle, wo König Rigenos mit den wichtigsten Hauptleuten vor einer Karte stand, die Mernadin, Necralala und das dazwischenliegende Meer zeigte.
»Von hier aus werden wir morgen aufbrechen«, unterrichtete mich Rigenos und deutete auf das Hafengebiet von Necranal. Der Fluß Droonaa floß durch Necranal und mündete bei Noonos ins Meer, wo sich die Flotte gesammelt hatte. »Ein gewisses Zeremoniell wird sich nicht umgehen lassen, fürchte ich, Erekose. Es sind mehrere Rituale durchzuführen. Ich habe es Euch schon angedeutet, glaube ich.«
»Allerdings«, bestätigte ich. »Das Zeremoniell scheint mühsamer zu sein als der ganze Krieg.«
Die Hauptleute lachten. Obwohl sie einen gewissen Abstand und Zurückhaltung bewahrten, waren sie mir durchaus wohlgesonnen, denn ich hatte (zu meiner eigenen Überraschung) eine natürliche Gabe für Strategie und das Kriegshandwerk bewiesen.
»Aber die Zeremonie ist notwendig«, sagte Rigenos, »für das Volk. Es gibt ihnen ein Gefühl der Wirklichkeit, versteht Ihr. Sie können eine Andeutung von dem erleben, was wir tun werden.«
»Wir?« fragte ich. »Habe ich recht gehört? Wollt Ihr damit sagen, daß Ihr uns begleiten werdet?«
»Das werde ich«, erwiderte Rigenos gelassen. »Ich halte es für notwendig.«
»Notwendig?«
»Ja.« Mehr wollte er nicht sagen - besonders nicht in Anwesenheit seiner Hauptleute. »Nun laßt uns fortfahren. Wir alle werden morgen sehr früh aufstehen müssen.«
Während wir die letzten Unklarheiten des Angriffs, unseres weiteren Vorgehens und des Nachschubs besprachen, studierte ich das Gesicht des Königs so gründlich, wie nie zuvor.
Kein Mensch erwartete von ihm, daß er mit seiner Armee in den Krieg zog. Er hätte keinesfalls das Gesicht verloren, wenn er in seiner Hauptstadt zurückgeblieben wäre. Und doch hatte er einen Entschluß gefaßt, der ihn in große Gefahr brachte und ihn zu Taten zwang, an denen er keinen Gefallen hatte.
Warum hatte er diese Entscheidung getroffen? Um sich selbst zu beweisen, daß er kämpfen konnte, vielleicht? Aber das hatte er schon bewiesen. Weil er auf mich eifersüchtig war? Weil er mir nicht völlig traute? Ich blickte zu Katorn, fand aber nichts in seinem Gesicht, das Befriedigung verriet. Katorn war lediglich sein übliches, mürrisches Selbst.
In Gedanken zuckte ich die Schultern. Rätselraten in dieser Lage führte zu nichts. Tatsache war und blieb, daß der König, ein nicht besonders kräftiger Mann, mit uns segeln würde. Zumindest konnte es eine Anfeuerung für unsere Krieger sein. Es konnte auch dazu dienen, Katorns Launen unter Kontrolle zu halten.
Endlich trennten wir uns und gingen unserer Wege. Ich begab mich schnurstracks ins Bett, wo ich mich gemächlich ausstreckte und vor dem Einschlafen an Iolinda dachte, an die Angriffspläne, die ich ausgebrütet hatte, an die Alten und wie es sein würde, gegen sie zu kämpfen - ich hatte immer noch keine genaue Vorstellung von ihrer Kampfesweise (außer ›Hinterlistig und grausam‹) oder auch nur von ihrem Aussehen (außer, daß sie ›Dämonen der tiefsten
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