Der ewige Held 02 - Der Phönix im Obsidian
Stirn und legte dicke, juwelengeschmückte Finger an dicke, karminrote Lippen. Bei seinen nächsten Worten klang seine Stimme gedämpfter, nachdenklicher.
»Also gut, ich werde davon ausgehen. Es wird berichtet, daß es vier Eisprinzen gegeben hat - im Norden, Süden, Osten und Westen - , aber alle starben, bis auf den Prinzen des Südeises, der in seiner großen Festung von einer Zauberin eingeschlossen wurde, um erst wieder zu erwachen, wenn er gerufen würde - wenn sein Volk sich in großer Gefahr befand. All das ereignete sich in weiter Vergangenheit, nur ein oder zwei Jahrhunderte nachdem das Eis die berühmtesten Städte der Welt vernichtet hatte - Barbart, Lanjis Liho, Korodune und die anderen.«
Die Namen hatten etwas Vertrautes, aber der Rest der Geschichte erweckte in mir keine Erinnerungen.
»Gibt es noch mehr über diese Legende zu erfahren?« fragte ich.
»Das war das Wesentliche. Ich könnte vermutlich ein oder zwei Bücher finden, in denen sie weiter ausgeschmückt wird.«
»Und nicht Ihr habt mich gerufen?«
»Warum sollte ich das tun? Um Euch die Wahrheit zu sagen, Graf Urlik, ich glaubte nicht an die Legende.«
»Aber Ihr glaubt jetzt daran? Ihr haltet mich nicht für einen Betrüger?«
»Warum solltet Ihr ein Betrüger sein? Und wenn Ihr es seid, warum sollte ich Euch nicht den Gefallen tun, wenn Euch daran liegt, für Graf Urlik gehalten zu werden?« Er lächelte. »Es gibt wenig Neues in Rowenarc. Wir begrüßen jede Abwechslung.«
Ich gab sein Lächeln zurück. »Eine ziemlich eigenwillige Ansicht, Bischof Belphig. Wie auch immer, ich stehe vor einem Rätsel. Es ist nicht lange her, da fand ich mich draußen auf dem Eis, auf der Fahrt hierher. Meine Ausrüstung und mein Name waren mir vertraut, aber alles andere war fremd. Ich bin ein Geschöpf, mein Fürst, mit wenig freiem Willen. Ich bin ein Held, müßt Ihr wissen, und werde dorthin gerufen, wo ich gebraucht werde. Ich will Euch nicht mit den Einzelheiten meines Schicksals langweilen, sondern Euch nur erklären, daß ich nicht hier wäre, gäbe es nicht einen Kampf auszufechten. Wenn Ihr mich nicht gerufen habt, dann wißt Ihr vielleicht, wer es sonst gewesen sein könnte.«
Belphig zog seine bemalten Brauen zusammen. Dann hob er sie und bedachte mich mit einem fragenden Blick. »Im Augenblick kann ich Euch da nicht weiterhelfen, Graf Urlik. Die einzige Gefahr, in der sich Rowenarc befindet, ist die unausweichliche. In einem oder zwei Jahrhunderten wird das Eis die Bergkette überwinden und uns auslöschen. Bis es soweit ist, vertreiben wir uns die Zeit, so gut es geht. Ihr seid herzlich eingeladen, uns dabei Gesellschaft zu leisten - wenn der weltliche Fürst einverstanden ist - und Ihr müßt versprechen, uns Eure ganze Geschichte zu erzählen, mag sie noch so unwahrscheinlich sein. Als Gegenleistung können wir Euch die Vergnügungen bieten, denen wir hier nachzugehen pflegen. Es kann recht anregend sein, sofern es Euch noch neu ist.«
»Hat Rowenarc also keine Feinde?«
»Keine, die mächtig genug wären, um eine Bedrohung darzustellen. Es gibt einige Banden von Ausgestoßenen, Piraten - die Sorte Gesindel, die sich um jede Stadt sammelt - aber das ist alles.«
Verwirrt schüttelte ich den Kopf. »Vielleicht gibt es Zwistigkeiten innerhalb Rowenarcs - Gruppierungen mit dem Ziel, Euch und den weltlichen Fürsten zu stürzen, vielleicht?«
Bischof Belphig lachte. »Wirklich, mein lieber Graf, Ihr scheint den Kampf über alles zu lieben! Ich versichere Euch, daß es in Rowenarc keine Streitfragen gibt, derentwegen irgend jemand seine Zeit verschwenden würde. Langeweile ist unser einziger Feind, und nun, da Ihr hier seid, ist er in die Flucht geschlagen!«
»Dann seid bedankt für Eure Gastfreundschaft«, erwiderte ich. »Ich werde sie annehmen. Vermutlich gibt es Bibliotheken in Rowenarc - und Gelehrte.«
»Wir sind alle Gelehrte in Rowenarc. Ja, es gibt Bibliotheken, die Ihr benutzen könnt.«
Wenigstens, so dachte ich, konnte ich hier meine Zeit darauf verwenden, eine Möglichkeit zu finden, um zu Ermizhad und der lieblichen Welt der Alten zurückzukehren (zu der diese Welt einen hassenswerten Gegensatz bildete). Trotzdem konnte ich nicht glauben, daß ich ohne Grund hierhergebracht worden war, es sei denn für ein Leben im Exil, das mich als Unsterblichen dazu verdammte, das allmähliche Sterben der Erde mit anzusehen.
»Wie auch immer«, fuhr Bischof Belphig fort, »ich kann nicht allein diese Entscheidung treffen.
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