Der ewige Held 03 - Das ewige Schwert
Schreie. Flamadins. John Dakers. Ich war beide. Ich wurde in zwei Teile gerissen.
Jetzt unternahm John Daker eine gewaltige Anstrengung, seine Seele aus dem Leib Flamadins herauszureißen. Ich dachte an meine Kindheit zurück, meinen ersten Job, meine Ferien. Wir hatten ein strohgedecktes Häuschen in Somerset gemietet, nicht weit vom Meer. Welches Jahr war das noch gewesen?
Flamadins Kraft ließ ein wenig nach. Vor seine Augen legte sich ein Schleier, während John Daker wieder deutlicher sehen konnte. Indem ich mir bewußt machte, daß ich ein gewöhnlicher Mensch war, indem ich die Rolle des Helden zurückwies, verschaffte ich mir die Chance, mich von der Last zu befreien, die man mir aufgebürdet hatte. Und indem ich mich selbst befreite, konnte ich möglicherweise anderen helfen.
Ich war sicher, daß John Daker den Kampf gewinnen würde, aber jetzt griff Sharadim in das Geschehen ein, und Balarizaaf gleichfalls. Ich hörte, wie sie Flamadin drängten, das Schwert zu gebrauchen, zu tun, was zu tun er geschworen hatte.
Ich kämpfte gegen ihn an. Aber sein Arm bog sich zurück. Selbst dann noch versuchte ich ihn aufzuhalten. Sein Arm schwang nach vorn, das Drachenschwert schnitt durch die Kristallwand. Er schuf ein Tor für das Chaos!
Ich stöhnte in meiner Hilflosigkeit als John Daker. Hatte ich Flama- din meine Seele entrissen, bemühte ich mich jetzt, in ihn zurückzukehren, um verhindern zu können, was er vorhatte.
Erneut hob sich das Drachenschwert. Abermals drang es in die Mauer aus Kristall. Rosiger Lichtschein flammte auf. Strahlen zuckten nach allen Seiten. Und durch den Riß, den das Schwert verursacht hatte, sah ich Dunkelheit. Und in der Dunkelheit eine andere Welt. Eine Welt, von der ich einen Blick auf weiß schimmernde Türme erhaschen konnte. Eine vertraute Welt.
Sie hatten alles genau geplant! Das neu geschaffene Tor des Chaos führte in die riesige Höhle Adelstanes, wo Sharadims Armee die letzten Verteidiger der Sechs Reiche belagerte!
Ich schrie mein Entsetzen hinaus. Ich hörte Sharadims Gelächter. Als John Daker drehte ich mich um und sah Balarizaaf zu doppelter Größe anwachsen, einen Ausdruck höchster Befriedigung auf seinen Zügen.
»Er schafft einen Zugang nach Adelstane!« sagte ich meinen Freunden. »Wir müssen ihn aufhalten.«
Was immer Flamadin jetzt mit Leben erfüllte, es war nicht meine Seele. Ich hatte sie mir vollständig zurückerobert. Aber noch während ich das Zunehmen meiner Kräfte spürte, sah ich den roten Kristall zerfließen und sich ausbreiten, bis sein Leuchten wieder den Himmel erfüllte und, wie vorher das rote Meer, sich um uns breitete. Und dieser unheilige Schimmer ergoß sich durch das Tor in die gewaltige Höhle.
Ohne zu überlegen, stürzte ich hinter Flamadin her, um ihn doch noch aufzuhalten. Aber er war bereits durch die schmale Öffnung getreten, die er geschaffen hatte. Ich sah ihn dorthin eilen, wo auf dem Boden der Höhle Sharadims Truppen ihr Lager aufgeschlagen hatten. Sie hausten in Steinhütten und Zelten, und hier und da ragten die massigen Schiffe Maaschanheems auf, gepreßt zum Kriegsdienst gegen Adelstane.
Alisaard und von Bek folgten mir, als wir über Felsgestein in die Höhle hinabkletterten. Flamadin rief den Kriegern etwas zu, von denen viele schon sichtbar vom Chaos gezeichnet waren. Sie hatten die verzerrten, viehischen Züge, wie ich sie zuvor bei Armiad und den anderen gesehen hatte.
»Für das Chaos! Für das Chaos!« rief Flamadin. »Ich bin zurückgekehrt. Jetzt werde ich euch gegen unsere Feinde führen. Jetzt werden wir den vollkommenen Sieg erstreiten!«
Ich war halb überzeugt, daß Flamadin seine Kraft aus dem Schwert bezog!
Die Truppen waren geblendet und verwirrt von dem purpurnen Licht, das plötzlich in die Höhle strömte. Sharadim und Balarizaaf hatten den Eingang noch nicht durchschritten. Ich wußte, daß sich die Öffnung bald erweitern und die volle Macht des Chaos hindurchlassen würde, um sich wie eine Seuche erst in Baarganheem und dann über die gesamten Sechs Reiche auszubreiten. Und ich sah keinen Weg, diesen Übergriff zu verhindern.
»ES IST GELUNGEN! OH, ES IST GELUNGEN!«
Das war Sharadims Stimme hinter mir. Sie hatte sich wieder auf ihr schwarzes Streitroß geschwungen und ihr eigenes Schwert gezogen. Siegesgewiß ritt sie hinter uns her.
Flamadin, stolpernd und mit den Armen wedelnd wie eine Vogelscheuche, näherte sich dem nächstliegenden Schiff. Es strömte einen entsetzlichen
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