Der ewige Held 03 - Das ewige Schwert
der Höhlenanlage zu uns herab.
Alisaard senkte zufrieden die Hände.
Wir warteten. Von Bek setzte zum Sprechen an, aber sie bedeutete ihm, den Mund zu halten.
Das Dröhnen des Gongs erstarb. Dem folgte eine Art schnaufendes Grollen, wie der erste Versuch eines Riesen auf einer gewaltigen Trompete. Dann schien ein Teil des nächstgelegenen Höhleneingangs nach innen zu fallen, und zum Vorschein kam eine dunkle, zerklüftete Öffnung, die wie ein natürlicher Felsspalt aussah.
Alisaard ging vor uns her und schlüpfte mit einer anmutigen Bewegung durch die Öffnung. Von Bek und ich folgten weit weniger anmutig.
Dann drehten wir uns um und betrachteten staunend, was da vor uns lag.
Es war vielleicht die bezauberndste Stadt aus zierlichen Türmen und schlanken Bauwerken, die ich auf all meinen Wanderungen je zu Gesicht bekommen hatte. Sie war weiß und glänzte wie im Schein des Mondes. Sie war ein Licht in dem umgebenden Halbdunkel der riesigen Höhle. Über uns hörten wir wieder das schnaufende Geräusch und dann das Dröhnen, und wir begriffen, daß die Geräusche durch die akustischen Gegebenheiten der Höhle entstanden, deren Umfang bestimmt mehr als drei Meilen betrug, während die Decke überhaupt nicht zu erkennen war. Sie war so zart, diese Stadt, mit ihren Linien aus Marmor und Quarz und glitzerndem Granit, daß es schien, ein Lufthauch würde sie hinwegfegen. Sie hatte die Zerbrechlichkeit einer wundervollen Illusion. Ich hatte das Gefühl, daß, wenn ich die Augen schloß, sie nicht mehr da sein würde, sobald ich wieder hinsah. Ich hatte recht gehabt, der scheinbaren Primitivität nicht zu trauen, aber wie falsch war es gewesen, auch nur einen Moment zu denken, die Flußhändler wären Barbaren.
»Es ist wie eine Stadt aus Spitzenborten«, meinte von Bek beinahe flüsternd. »Tausendmal schöner als Dresden sogar.«
»Kommt«, sagte Alisaard, und setzte den Fuß auf die breiten, polierten Stufen, die zu einer Straße hinabführten, welche ihrerseits nach Adelstane führte. »Wir dürfen jetzt kein Zögern merken lassen. Die Herren dieser Stadt neigen dazu, überall Spione oder Kundschafter eines Feindes zu vermuten.«
Hinter uns brannten kleine Feuer in den Felsen. Ich sah weiße Gesichter aus den Schatten dürftiger Unterkünfte hervorlugen. Diese Leute schlurften und scharrten und brummelten vor sich hin, bis sie allmählich wieder zu ihren unterbrochenen Tätigkeiten zurückkehrten. Ich fand es äußerst schwierig, diese Wilden, die sie allem Anschein nach waren, mit den Erbauern und Bewohnern der Stadt in Zusammenhang zu bringen.
Ich fragte Alisaard, wer die Leute in den Felsen seien, und sie entschuldigte sich dafür, mir nicht mehr gesagt zu haben. »Es sind natürlich Mabden. Sie haben Angst vor der Stadt. Angst vor fast allem. Und da ihnen keine Waffen gestattet sind, um anzugreifen, wovor sie Angst haben, haben sie sich zu dem entwickelt, was Ihr hier seht. Wie es scheint, können die Mabden nur töten oder weglaufen. Mit ihren Gehirnen wissen sie nichts anzufangen.«
Von Bek hatte seine Zweifel. »Mir kommen sie vor wie die nicht nutzbaren wirtschaftlichen Einheiten eines überrigiden politischen Systems, die man hier abgeschoben hat, damit sie den anderen nicht zur Last fallen.«
Alisaard runzelte die Stirn. »Ich kann Euch nicht folgen.«
Von Bek lächelte, wie zu sich selbst. »Ihr verfügt über großes Wissen in bezug auf Magie und wissenschaftliche Wunder, Lady Alisaard, aber wie es aussieht, gibt es nur wenige wirtschaftlich komplexe Zivilisationen im Multiversum!«
Sie schien ihn zu begreifen. Ihre Stirn glättete sich. »Ah, natürlich! Ja, Eure Annahme ist mehr oder weniger richtig. Dies ist nicht die richtige Gegend für derartige Gesellschaften.«
Ich beobachtete mit heimlichem Vergnügen von Beks Gesicht, als ihm klar wurde, daß er sich nicht nur intellektueller Arroganz schuldig gemacht hatte, sondern auch noch von jemandem auf seinen Platz verwiesen wurde, der ihm geistig überlegen war.
Von Bek sah mich an und merkte, daß mir seine Reaktion nicht entgangen war. »Es ist seltsam, wie leicht wir in die Vorurteile und Dummheiten unserer eigenen Kulturen verfallen, wenn wir dem Fremden und Unerklärlichen gegenüberstehen. Wenn ich das hier überstehe und mein Vorhaben erfolgreich durchführen kann; wenn Deutschland jemals wieder frei ist von Krieg und Terror, habe ich vor, ein oder zwei Bücher über das Thema der Reaktionen der Menschheit
auf das Neue und das
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