Der ewige Held 03 - Das ewige Schwert
meines Alters und meines Umfangs etwas länger brauchen.«
Ich merkte, daß von Bek zögerte. Er vermutete einen Hinterhalt, doch Alisaard drängte ihn weiter. Ich folgte ihr die etwas schlüpfrige Leiter hinab.
Die Leiter führte in eine Höhle, die eigentlich ein hoher Felspfeiler war. Wir standen auf einer langen Plattform über einem wirbelnden und schäumenden Teich, dessen Zuflüsse sich rauschend durch Öffnungen ergossen, die beinahe wie Fenster aussahen, welche man in ziemlich regelmäßigen Abständen über uns in die Felswand eingesetzt hatte. Abzufließen schien das Wasser durch eine Reihe unsichtbarer Röhren am Grund. Es war ein herrliches Naturschauspiel, und wir betrachteten es schweigend, während wir uns fragten, wohin wir von hier aus überhaupt noch gehen konnten.
Ich fühlte die Tatze des Bären auf meiner Schulter. Mich herumdrehend, bemerkte ich den melancholischen Ausdruck in seinen Augen. »Zu viel Wissen«, sagte er. »Euch wird es ebenso ergehen, außer Ihr trefft Vorsorge. Unsere Gehirne sind begrenzt in ihren Fähigkeiten, Informationen aufzunehmen. Ja?«
»Ich nehme es an, Prinz Morandi Pag. Wird das Schwert mir Schaden zufügen?«
»Nicht jetzt. Der Schaden, den es Euch zugefügt hat, und der Schaden, den es noch verursachen wird, sind nicht Teil Eures gegenwärtigen Schicksals, glaube ich. Aber Taten können natürlich den Lauf der Dinge verändern. Ich bin nicht sicher .« Er räusperte sich. »Aber Ihr möchtet das Schwert sehen, hm? Dann müßt Ihr dort hinabsehen, in diesen Teich.«
»Sie werden es nicht sehen können, Prinz Pag«, mahnte Jermays der Krüppel mit erhobener Stimme, um das Tosen des Meeres zu übertönen. »Nicht ohne Eure Beschwörung.«
»Ach ja.« Morandi Pag machte einen zerknirschten Eindruck. Er kratzte sich die weiße Brust. Dann tätschelte er mir beruhigend den Arm. »Keine Angst. Es ist ein eigentümlich verwinkeltes Logikmuster. Eine gedankliche Gleichung, die ich aufstellen muß. Es hilft mir, etwas zu singen. Ihr verzeiht?« Er hob den Kopf und stieß ein unbeschreibliches Heulen und Grunzen aus, ein melodisches Jaulen und ein mehrfaches scharfes Bellen.
»Ist er wieder verrückt geworden?« wollte von Bek wissen.
Jermays gab ihm einen Schubs. »Tretet an den Rand. Den Rand. Schaut in das Wasser. Versucht, an gar nichts zu denken. Rasch. Er vollzieht die Beschwörung!«
Jetzt standen wir alle vier an der äußersten Kante der Felsplatte und schauten durch die Gischt in das wirbelnde graugrüne Wasser, wie es unablässig in den Teich strömte. Das Wasser hatte eine hypnotisierende Wirkung. Beinahe sofort fesselte es unsere Aufmerksamkeit und hielt sie im Bann. Ich fühlte, wie ich schwankte, fühlte, wie der kleine Jermays die Hand ausstreckte, um mich zu stützen. »Ihr dürft keine Angst haben zu fallen«, belehrte er mich. »Konzentriert Euch einfach auf den Teich.«
Mit einigem Unbehagen folgte ich seinem Rat. Ich konnte Morandi Pags Stimme mit dem Geräusch des Meeres verschmelzen hören, und aus dem Geräusch schien ein Bild zu entstehen, etwas Greifbares. Langsam begann das Wasser in einem roten Schimmer zu erglühen. Außerhalb des Turms heulte der Wind, und die Brecher schlugen gegen den Fels. Aber im Innern verhärtete sich die Gischt, verwandelte sich in winzige Quarzteilchen, reglos festgebannt an ihren Platz, und der rote Ozean war zu einer Kammer aus Kristall geworden. Und plötzlich hörte ich Morandi Pags Stimme nicht mehr, noch das Toben der Elemente außerhalb dieser Mauern. Eine gewaltige Stille hatte sich herabgesenkt.
Wir schauten in den scharlachroten Kristall, in dessen Tiefen etwas Grünes und Schwarzes eingebettet zu sein schien, wie eine Fliege in Bernstein.
»Es ist das Drachenschwert«, flüsterte Alisaard. »Genauso hat es in unseren Visionen ausgesehen!«
Schwarze Klinge, grüner Knauf, schien das Drachenschwert sich in seinem Gefängnis aus Kristall ungeduldig zu regen. Und ich glaubte, eine winzige gelbe Flamme tief in der Klinge flackern zu sehen, als wäre etwas in dem Schwert gefangen, so wie das Schwert in dem Kristall gefangen war.
»Kann ich es berühren, Morandi Pag?« fragte Alisaard leise. »Ich kenne den Zauber, um den Drachen zu erlösen. Ich muß es mit zurück nach Gheestenheem nehmen.«
Der Bärenprinz war ebenso verzückt wie wir anderen. Er schien sie nicht gehört zu haben. »Es ist sehr schön, finde ich. Aber so gefährlich.«
»Laßt es uns mitnehmen, Morandi Pag«, bat von Bek. »Wir
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