Der ewige Held 03 - Das ewige Schwert
Hände an die Stirn. Die Neuigkeit hatte sie nicht nur verwirrt. Sie hatte sie, wenigstens vorübergehend, ihrer Entschlußkraft beraubt. »Welche Chancen haben drei Sterbliche, dort irgend etwas zu finden? Welche Chance, überhaupt nur zu überleben?«
»Sehr geringe«, stellte Jermays nüchtern fest. »Außer natürlich, wenn Ihr einen Actorios hättet. Selbst dann wäre es außerordentlich gefährlich. Ihr seid aber herzlich eingeladen, hier bei uns zu bleiben. Ich für meinen Teil wäre froh über die zusätzliche Gesellschaft. Es gibt nur wenige interessante Kartenspiele für zwei. Und Morandi Pag neigt in letzter Zeit zu Unkonzentriertheit, selbst bei einer Partie ›Schnapp‹.«
»Warum sollte der Besitz eines Actorios uns in den AlptraumMarken von Vorteil sein?« fragte ich ihn. Noch während ich sprach, griff ich in meine Gürteltasche und berührte den warmen, fast lebendig wirkenden Stein, den mir die Gewählte Sprecherin Phalizaarn in Ghee- stenheem überreicht hatte, und dessen Schicksal nach Sepiriz' Worten aufs engste mit dem meinem verbunden war.
»Er hat einiges mit einem Runenstab gemeinsam«, erklärte mir Jer- mays. »Er kann Auswirkungen auf seine Umgebung haben. Nur in geringem Ausmaß natürlich, verglichen mit anderen Artefakten. Er kann stabilisieren, was das Chaos berührt hat. Mehr noch, es besteht eine gewisse gegenseitige Anziehungskraft zwischen ihm und diesen Schwertern. Er könnte helfen, Euch zu der Klinge zu führen, die Ihr sucht .« Er zuckte seine verkrümmten Schultern. »Aber was hättet Ihr davon? Gar nichts, nehme ich an. Und da das kosmische Pendel noch reichlich oft hin und her schwingen wird, bevor Ihr in den Besitz eines
Actorios gelangt, Held, hat dieses Wenn und Aber nicht den geringsten Sinn.«
Ich nahm den pulsierenden Stein aus dem Beutel und zeigte ihn ihm auf der flachen Hand.
Eine Zeitlang betrachtete er ihn schweigend. Plötzlich scheu, beinahe ängstlich.
»Nun«, sagte er schließlich, »Ihr habt also solch einen Stein. Aha.«
»Ändert das Eure Einschätzung unserer Chancen in den AlptraumMarken, Meister Jermays?« fragte von Bek.
Jermays der Krüppel warf mir einen eigenartig mitfühlenden Blick zu. Er drehte sich um und gab vor, ungemein an Morandi Pags Sammlung alchemistischer Gläser interessiert zu sein. »Eine Birne wäre jetzt nicht schlecht«, meinte er. »Ich habe richtig Lust darauf. Zur Not täte es auch ein Apfel. Frische Lebensmittel sind hier rar. Außer, man mag Fisch. Ich habe das Gefühl, daß ich bald in der Lage sein werde, mir etwas zu beschaffen. Das Gleichgewicht gerät ins Schwanken. Die Götter erwachen. Und wenn sie ihr Spiel beginnen, werde ich wieder herumgestoßen, wie üblich. Hierhin und dorthin. Aber was wird aus Morandi Pag?«
»Es ist ein Heer auf dem Marsch«, sagte Alisaard. »Entweder, um ihm durch Folter Informationen zu entlocken, oder um ihn zu vernichten, wir wissen es nicht genau. Prinzessin Sharadim wird das Heer anführen.«
»Sharadim?« Wieder schaute Jermays mich an. Er war blitzschnell herumgefahren. »Eure Schwester, Held?«
»Wie man's nimmt, Jermays. Wie können wir in die AlptraumMarken eindringen?«
Er schlenkerte mit seinen unnatürlich langen Armen und trat an die Seite des schlafenden Bärenprinzen. »Niemand hält Euch auf«, antwortete er. »Die Schwierigkeit liegt gewöhnlich nicht darin, daß die Alptraum-Marken Besuchern den Zutritt verwehren. Die meisten Besucher dieser Marken sind, gelinde gesagt, unfreiwillig dorthin geraten. Der Ort wird vom Chaos regiert, seit es nach den alten Kriegen des Rades dorthin verbannt wurde, vor so vielen Jahrhunderten, daß kaum jemand noch davon weiß. Es könnte am Anfang dieses Zyklus' gewesen sein. Ich kann mich nicht erinnern. Die Alptraum-Marken liegen an der Nabe des Rades, gefangen von denselben Kräften, die für das Bestehen der Sechs Reiche verantwortlich sind, beinahe wie von einer Art Schwerkraft zusammengepreßt. Ist es nicht Sharadim, die versuchen will, diese Kräfte loszulassen? Die sich vorgenommen hat, den Herrscher der Alptraum-Marken, Erzherzog Balarizaaf, zu befreien? Warum zu ihm gehen, wo er doch bald zu Euch kommen könnte?« Und Jermays fröstelte.
»Ihr kennt Sharadims Pläne?« erkundigte Alisaard sich eifrig. »Ihr könnt vorhersagen, was sie tun wird?«
»Meine Vorhersagen sind niemals genau«, meinte Jermays. »Sie sind keinem von Nutzen. Ich bin mal hier, mal dort. Ich sehe ein bißchen von dem, ein bißchen von jenem.
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