Der ewige Krieg 01 - Der ewige Krieg
mich den Sold von zwei Monaten gekostet, aber was konnte ich sonst mit dem Geld anfangen? Es investieren?
Ich reichte Gläser herum, aber Alsever, die Ärztin, erklärte, daß sie nicht trinke. Statt dessen zerbrach sie eine kleine Kapsel unter der Nase und inhalierte tief. Dann versuchte sie ohne allzuviel Erfolg ihren euphorischen Gesichtsausdruck in eine Maske strenger Sachlichkeit zu zwingen.
»Zuerst möchte ich ein grundlegendes persönliches Problem ansprechen«, sagte ich beim Einschenken. »Wissen alle von Ihnen, daß ich nicht homosexuell bin?«
Ein gemischter Chor von »Ja, Sir« und »Nein, Sir«.
»Sind Sie der Meinung, daß dies meine Position als Kommandant komplizieren wird, soweit es die Mannschaften betrifft?«
»Sir, das hätte vor hundert Jahren ein Problem sein können«, sagte Hauptmann Moore. »Sie wissen, wie die Leute damals empfanden. Heute dagegen …«
»Ich muß gestehen, daß ich es nicht weiß«, sagte ich. »Was ich über die Periode zwischen dem einundzwanzigsten Jahrhundert und unserer Gegenwart weiß, beschränkt sich auf Militärgeschichte.«
»Ach so. Also, es war, na, wie soll ich es sagen?« Er machte fahrige Handbewegungen.
»Es war ein Verbrechen«, sagte Alsever lakonisch. »Der Rat für Eugenik erreichte damit die Einführung der universalen Homosexualität.«
»Rat für Eugenik?«
»Eine Unterorganisation der UNO.« Sie schnüffelte wieder an der leeren Kapsel. »Es kam darauf an, die Menschen von der biologischen Methode des Kinderzeugens abzubringen. Denn erstens zeigten die Leute bei der Wahl ihrer genetischen Partner einen bedauerlichen Mangel an Vernunft, und zweitens erkannte der Rat, daß Rassenunterschiede eine ebenso unnötige wie unerwünschte spalterische Wirkung auf die Menschheit hatten. Mit totaler Geburtensteuerung konnten alle innerhalb weniger Generationen zu einer Rasse verschmolzen werden.«
Ich hatte nicht gewußt, daß sie soweit gegangen waren, aber es war wohl nur logisch. »Billigen Sie es? Als Ärztin?«
»Als Ärztin? Ich bin nicht sicher.« Sie nahm eine zweite Kapsel aus der Tasche und rollte sie unschlüssig zwischen Daumen und Zeigefinger, während sie ins Leere starrte. Oder etwas sah, was wir anderen nicht sehen konnten. »In gewisser Weise erleichtert es meine Arbeit. Viele Krankheiten existieren nicht mehr. Aber ich habe manchmal den Eindruck, daß die Genetiker von ihrem Fach nicht so viel verstehen, wie sie zu verstehen glauben. Manchmal denke ich mir, daß ihnen verhängnisvolle Fehler unterlaufen könnten, deren Resultate erst in Jahrhunderten sichtbar würden.«
Sie zerbrach die Kapsel unter der Nase und atmete zweimal tief durch. »Als Frau bin ich natürlich ganz dafür.« Hilleboe und Rusk nickten.
»Ich kann verstehen, daß es für die Frauen manche Vorteile hat«, sagte ich. »Sie sind von den Schwierigkeiten und der Mühsal der Schwangerschaft und Geburt befreit und brauchen sich nicht mehr mit Fragen der Kindererziehung herumzuschlagen …«
»Das ist ein Aspekt davon.« Sie schielte nach der Kapsel unter ihrer Nase, schnüffelte ein letztes Mal. »Aber das ist nicht alles. Keinen Mann haben zu müssen, das ist der Hauptvorteil. Ich meine … ah … in mir, verstehen Sie. Ich finde das ekelhaft.«
Moore lachte. »Wenn Sie es nie versucht haben, sollten Sie nicht …«
»Ach, seien Sie still!« Sie warf die leere Kapsel nach ihm.
»Aber es ist völlig natürlich«, sagte ich.
»Von Baum zu Baum hangeln ist auch natürlich. Oder mit einem stumpfen Stock nach Wurzeln graben. Fortschritt, Sir; Fortschritt.«
»Wie auch immer«, sagte Moore, »Heterosexualität galt nur für die Dauer von zwei Generationen oder so als ein Verbrechen. Danach betrachtete man sie als eine, nun, heilbare …«
»Fehlfunktion«, sagte Alsever.
»Danke. Und heutzutage ist sie so selten geworden … Ich glaube kaum, daß die Truppe viel danach fragen wird.«
Dr. Alsever nickte. »Eine exzentrische Neigung, weiter nichts«, sagte sie großmütig. »Nicht, als ob sie kleine Kinder verspeisten.«
»So ist es, Sir«, sagte Hilleboe. »Deswegen empfinde ich Ihnen gegenüber nicht anders.«
»Schön, ah – das freut mich.« Mir dämmerte, daß ich nicht die leiseste Ahnung hatte, wie ich mich gesellschaftlich benehmen sollte. Ein guter Teil meines ›normalen‹ Benehmens beruhte auf jenem komplizierten, unausgesprochenen Kodex männlichen Rollenverhaltens, den ich in meiner Jugend angenommen hatte. Wie würden diese vermännlichten
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