Der ewige Krieg 03 - Der ewige Friede
sie mich gern mit Essen verwöhnte.
»Es ist für mich schwer vorstellbar«, meinte sie und suchte nach Schalen und Essstäbchen, während das Zeug vor sich hinbrutzelte. »Dummes Gerede. Natürlich ist es das.« Sie trat hinter mich und massierte meine Schultern. »Sag, dass mit dir wieder alles in Ordnung kommt!«
»Mit mir ist alles in Ordnung.«
»Erzähl keinen Unsinn!« Sie grub mir die Finger in den Nacken. »Du bist steif wie ein Brett. Deine Gedanken befinden sich irgendwo… jedenfalls weit weg.«
Sie hatte ein wenig Sake erhitzt. Ich goss mir einen zweiten Becher ein. »Vielleicht. Ich… sie erlaubten mir in der cardiologischen Abteilung einen kurzen Kontakt mit Candi und Karen. Candi geht es verdammt schlecht.«
»Angst vor einer Herztransplantation?«
»Das ist eher Karens Problem. Candi denkt unentwegt an Ralph. Sie kommt mit dem Verlust nicht klar.«
Sie nahm sich ebenfalls etwas von dem Sake. »Ist sie nicht Therapeutin für Trauerarbeit? Im Privatleben, meine ich.«
»Ja. Aber warum ergreift jemand so einen Beruf? Sie verlor ihren Vater mit zwölf. Ein Unfall, bei dem sie mit im Auto saß. Das hat sie nie richtig verkraftet. Er steht immer im Hintergrund, wenn sie zu einem Mann… einen Kontakt aufbaut.«
»Wenn sie ihn liebt? Wie dich?«
»Das hat nichts mit Liebe zu tun. Es geschieht ganz automatisch. Aber dieses Thema haben wir ausführlich diskutiert.«
Sie trat an den Herd, um den Reis umzurühren. »Vielleicht sollten wir die Diskussion ab und zu auffrischen. Ein bis zweimal im Jahr…«
Ich behielt mühsam die Ruhe. Wir waren beide müde und verunsichert. »Es ist nicht so wie bei Carolyn. Das kannst du mir glauben. Ich empfinde für Candi eher wie für eine Schwester…«
»Ach ja?«
»Nicht wie für meine Schwester, okay.« Ich hatte seit mehr als einem Jahr nichts mehr von ihr gehört. »Wir stehen uns sehr nahe, und ich schätze, dass man diese Intimität in der Tat als eine Art Liebe bezeichnen kann. Aber es ist etwas anderes als zwischen dir und mir.«
Sie nickte und füllte die Schalen. »Tut mir Leid. Du kommst völlig kaputt an, und ich mache dir die Hölle heiß.«
»Die Hölle und eine Reispfanne.« Ich nahm die Schale, die sie mir reichte. »Kriegst du deine Zeit?«
Sie stellte ihre Schale eine Spur zu hart ab. »Das ist noch so eine Sache, die mich wahnsinnig macht. Dass du ihre Perioden miterlebst. Das ist mehr als intim. Das ist schlichtweg pervers.«
»Na ja, es kommt zum Glück nur selten vor.« Die Frauen eines jeden Zugs stimmen ihren Zyklus ziemlich schnell aufeinander ab und natürlich geht das nicht spurlos an uns Männern vorüber. In der ersten Hälfte des vorigen Jahres kam ich jedes Mal überreizt von meiner Schicht heim, eine Folge des prämenstruellen Syndroms und zugleich ein Beweis dafür, dass der Verstand die Drüsen beeinflusst.
»Was war dieser Ralph für ein Mensch? Du hast nie viel von ihm erzählt.«
»Ein Neuer«, sagte ich. »Es war erst seine dritte Schicht. Er hatte noch keinen richtigen Kampf erlebt.«
»Nur den einen, der ihn umbrachte.«
»Ja. Er war ein nervöser Typ, vielleicht zu sensibel. Vor zwei Monaten, als wir in Parallelkontakt standen, führte sich Scovilles Einheit noch brutaler als sonst auf. Das machte ihm tagelang zu schaffen. Wir mussten uns alle um ihn kümmern, damit er keinen Mist baute. Candi verstand sich wie immer am besten darauf.«
Sie stocherte in ihrem Essen herum. »Dann kanntest du ihn noch nicht so intim.«
»Schon, aber nicht so intim wie die anderen. Er war bis zu seiner Pubertät Bettnässer und hatte als Kind schreckliche Schuldgefühle, weil er eine Schildkröte getötet hatte. Ließ sein ganzes Geld bei den Jack’s Jills, die in Portobello rumhängen. Hatte offenbar bis zu seiner Heirat keinen normalen Sex. Die Ehe hielt nicht lange. Ehe er den Kontakt erhielt, schaute er sich Pornofilme mit Oralsex an und onanierte dazu. Ist das intim genug?«
»Was war sein Lieblingsessen?«
»Quittenkuchen. So wie er ihn von seiner Mutter kannte.«
»Lieblingsbuch?«
»Er las nicht viel, und schon gar nicht zum Vergnügen. Während der Schulzeit schwärmte er für die Schatzinsel. Schrieb in der Elften einen Artikel über Jim, auf den er später im College noch einmal zurückgriff.«
»War er nett?«
»Doch, schon. Aber wir unternahmen nichts gemeinsam – auch die anderen hielten sich zurück. Sobald der Käfig aufging, rannte er in die Bars. Konnte es kaum erwarten, sich in die Jills
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