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Der Experte: Thriller (German Edition)

Der Experte: Thriller (German Edition)

Titel: Der Experte: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Allen Smith
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letzten, diese Woche in Tulette. Sehr bald werde ich eine endgültige Entscheidung treffen, was den Status von Harry Boddicker und David Matheson anbelangt. Es ist eine merkwürdige Erkenntnis, dass der Umstand, ihr Schicksal in der Hand zu halten, im größeren Zusammenhang beinahe banal wird. Doch ich habe meinen Sinn für das Pragmatische nicht verloren und werde meine Entscheidung auf Grundlage dessen fällen, was meinen eigenen Bedürfnissen am dienlichsten ist.
    Dalton blickte zum Fenster. Die tiefe Stille hatte mit der Schwärze einen Pakt geschlossen, verwob sich mit dem neuen Verbündeten und schuf eine fasrige, undurchdringliche Mauer der Nacht. Sie schloss die nadelfeinen Punkte der Sterne aus und die Schreie der Raubtiere und ihrer Beute. Dalton begann zu tippen.
    Weil die Zukunft unbestimmt ist, werde ich das Manuskript bald an Lars mailen. Der Gedanke ist merkwürdig und vielleicht sogar aufregend, dass dies das letzte Kapitel des Buches sein könnte – dass Geiger morgen oder übermorgen eintrifft und ich nie mehr ein weiteres Wort niederschreiben werde. Doch das bedeutete nicht, dass diese Memoiren unvollendet blieben, denn was anderes sind Memoiren als die Geschichte eines Lebens bis zu seinem Ende? Wenn dies das letzte Kapitel sein sollte, dann deswegen, weil es nichts weiter zu berichten gab und ich fertig bin.
    Er schloss die Datei und lehnte sich in seinem Sessel zurück. Der GEIGER-Bildschirmschoner kehrte auf den dunklen Monitor zurück. Dalton griff nach seinem Glas, als das schwebende silbrige Wort in der Bildschirmmitte zur Ruhe kam und sich in Geigers gelassenes, regloses Gesicht verwandelte. Fast schien es, als blickten sie einander durch ein getöntes Fenster an.
    »Ah … Bonsoir, mon ami.« Dalton hob das Glas. »Tchin-tchin« , prostete er ihm zu, neigte das Glas an seinen geöffneten Lippen und trank langsam. »Du kommst näher, nicht wahr?« Sanft stellte er das Glas ab. »Aber nicht so nahe, wie du glaubst.«
    Dalton hob den Zeigefinger und klopfte sich damit gegen die Lippe.
    »An jenem Tag, an dem du auf dem Sessel saßest und ich dich zerschnitt, begriff ich eines: dass du nicht weißt, wer du bist. Du bist wie ein Blinder, dessen unglaublich scharfe andere Sinne nichts an der Tatsache zu ändern vermögen, dass er nichts sehen kann.«
    Geiger starrte ihn an, ungerührt von der Diagnose.
    »Du glaubst , du könntest sehen – aber du kannst es nicht.« Dalton beugte sich zum Monitor vor. »Und deshalb bin ich hier. Um dir zu helfen. Du glaubst, es ginge um das Retten von Menschenleben – Matheson, Harry; und in gewisser Weise all das für Ezra. Aber du siehst es eben nicht. Es geht nicht um das Leben anderer Menschen – es geht nur um deines und meines. Ich bin in deinem Kopf, Geiger. In deinem wunderschönen Gehirn. Und ich schenke dir das Augenlicht.« Erneut hob er das Weinglas. »Und wenn das geschehen ist, wird alles offenbar.«
    Dalton trank das Glas leer, hielt es vor sich und drehte den Kelch mit den Fingerspitzen nach links und nach rechts, sodass das Licht seine Mitte mit einem dünnen, funkelnden Band umschlang. Seine Finger drückten leicht fester zu, und ganz langsam erhöhte er den Druck, in minimalen Schritten – bis das Glas in seiner Hand zerbarst.
    »Voilà« , sagte er.
    Christine spülte einen dicken Bell de Pontoise unter dem Küchenwasserhahn ab, viertelte den Apfel und legte ihn zu rohen Spargelstangen und rohen Brokkoliröschen auf einen Teller. Geiger hatte ihr mitgeteilt, dass er nur Rohkost esse.
    Sie brauchte sich nicht umzublicken, sie wusste, dass der lange verschwundene Troll wieder in der Nähe war. Sie hörte das Schniefen und Schluchzen, die spöttische Aufforderung, es doch zu wagen, sich ihm in seiner Zerknirschung anzuschließen. Das Ausmaß dessen, in das sie hineingezogen worden war, wurde ihr immer stärker bewusst, und sie musste sich beschäftigen. Geiger war im Bad und wusch sich Schmutz und Staub ab. Seine ebenfalls verschmutzte Kleidung hatte sie in die Waschmaschine gestopft. Die Ereignisse der letzten Tage und der letzten zwölf Stunden stocherten im Schloss ihres Tresors, und sie ahnte, dass ihre traurigen, kostbaren Schätze und Schrecklichkeiten jeden Moment hervortaumeln konnten.
    Sie wandte sich um. Geiger kam den Flur entlang. Er hatte sich gesäubert und trug eine kurze Sporthose. Seine Schulter war abgeschwollen, doch Christines Blick fiel sofort auf die drei horizontalen Narben auf seinem linken Oberschenkel. Sie

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