Der Experte: Thriller (German Edition)
zwischen Brunos Augenbrauen tiefer.
»Hier.« Geiger hielt ihm das Geld hin. »Dreitausend Euro. Damit sollten Sie einen Monat zurechtkommen.«
Bruno sah das angebotene Geld finster an.
»Nehmen Sie es, Bruno.«
»Wieso?«
Geiger blinzelte – einmal. »Nehmen Sie es.«
Bruno winkte plötzlich wütend ab. » C’est delirant! Ist verrückt! Sie sagen: Gehen Sie. Sie sagen: Nehmen Sie es. Aber wieso geben Sie es?«
Geduld war von jeher sein Verbündeter gewesen, doch jetzt spürte Geiger, wie sie auf die Seite trat – ein Zuschauer, der knapp außer Sicht blieb, unschlüssig, ob er sich einmischen soll.
»Bruno, sagen wir einfach – weil es so für mich am besten ist.« Er legte das Geld auf den Beifahrersitz und schloss die Tasche. »Sie müssen fort.« Er öffnete die Tür. »Sie haben die Adresse, zu der Sie mich bringen sollen?«
Als Bruno seufzte, hoben seine Schultern sich bis zu seinen Ohren. Er griff hoch zur Sonnenblende des Fahrersitzes, zog ein Blatt Papier heraus und reichte es Geiger. Darauf befanden sich drei getippte Sätze.
Tournez à droite au D51/D51A.
Quand vous arrivez à une fourche, prenez la route sur votre droite.
Allez tout droit jusqu’à l’impasse.
»Man kommt dorthin sehr einfach«, sagte Bruno. Sein Blick verließ den Geldhaufen auf dem Beifahrersitz nicht, dessen Vorhandensein genauso viel und genauso wenig Sinn ergab wie alles, was gerade geschehen war. »Sie sind ein sehr merkwürdiger Mensch, Ezra. Vielleicht wenig verrückt.«
»Sie sind nicht der Erste, der mir das sagt. Leben Sie wohl, Bruno.«
Geiger stieg aus dem Wagen, schloss die Tür und sah dem Renault hinterher, der wendete und zur Straße zurückkehrte. Er konnte sich nun der nächsten Phase zuwenden. Um Bruno und Celeste hatte er sich gekümmert. Keine unschuldigen Unbeteiligten würden leiden müssen.
Er stand am Ende des kurzen Kieswegs, hörte von vorn die Geräusche der Straße, von hinten einen näher kommenden Zug in der Entfernung, und hatte den letzten Punkt auf der Karte erreicht, an dem er noch umdrehen und seinen Weg allein gehen konnte.
Als ihr Nextel klingelte, sahen Zanni und Victor sich an.
»Wir spielen nach seinen Regeln«, sagte sie. Victor nickte, und Zanni meldete sich.
»Wir sind da«, sagte sie. »Drei Minuten vom Bahnhof auf einem Hotelparkplatz. Wo sind Sie?«
28
Ein stahlgrauer Dreier-BMW kam auf ihn zu. Der Kies knirschte unter seinen Reifen. Die Fenster hatten eine dunkle Tönung, die das Sonnenlicht absorbierte, und Geiger konnte nicht erkennen, wer hinter dem Lenkrad saß.
Während seiner Darlegungen würde er eine Reihe von Dingen beachten müssen, mehrere Ebenen des Wechselspiels bei der Bewegung durch das Labyrinth. Von jetzt an würden Soames und Victor fast alles, was er sagte, ganz unterschiedlich bewerten. Victor wusste, wo das Endspiel stattfand, Soames nicht. Und was Geiger wusste und wie und wann er es preisgab, würde darüber entscheiden, wer überlebte.
Der Wagen hielt, und die Vordertüren öffneten sich. Soames stieg an der Fahrerseite aus, Victor an der Beifahrerseite. Er zündete sich augenblicklich eine Zigarette an. Wenn sich zwei Menschen zum ersten Mal im gleichen physischen Raum treffen, halten alle Bewegungen einen Moment lang inne, während jeder den leibhaftig vor ihm stehenden anderen abschätzt – seine Größe, seine Haltung, seine Kraft.
Zanni lehnte sich an den Türrahmen. »Bonjour, Herr Geiger.«
»Hallo, Zanni.«
Victor ging mit erhobenem Arm auf Geiger zu und reichte ihm die Hand. Geiger speicherte einige Beobachtungen ab: Der Mann war über fünfzig, aber hart wie Granit, und hatte defekte Knie – vermutlich eher Arthritis als eine Verletzung.
»Herr Geiger«, sagte Victor, »es ist schön, Sie endlich persönlich kennenzulernen.«
Geiger nahm Victors Hand, schüttelte sie fest und speicherte eine weitere Beobachtung ab: Victor war Linkshänder.
»Hallo, Victor.«
Ihre Abbilder spiegelten sich in den Augen des anderen wie in Zerrspiegeln – eine Spiegelung aus der anderen entstanden, reihten sie sich in immer weiterer Ferne. Geiger hatte öfter, als ihm lieb war, Killern in die Augen geblickt und dabei kaum je jenes manische Funkeln oder das lauernde Böse entdeckt, von dem die Dichter so oft sprachen. Die Augen eines Menschen enthielten tausend Geheimnisse und Wahrheiten, aber sie logen genauso gekonnt wie seine Zunge.
»Herr Geiger«, sagte Zanni, »das ist Ihre Show. Wissen Sie, wohin wir müssen?«
»Jetzt
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