Der Experte: Thriller (German Edition)
Ende.
»Sieh mich an.«
»Tue ich ja!«
Lichtmuster blitzten auf dem Stahlgeflecht der Fesseln, während der Jones sich drehte. Rührtrommel und Becken aus der Audioschleife schienen der flüssigen Bewegung eine Kadenz aufzwingen zu wollen, und Geiger sann über den Fluss der Zeit und das Bedürfnis des Menschen nach, ihn in endliche Bruchstücke zu zerteilen – zu messen, was keine Größe, zu lenken, was keine Form hat, damit er ihn zu jedem Zeitpunkt in Sekunden und Minuten einer Stunde im Monat eines Jahres definieren kann –, und er dachte an seine zeitlose Kindheit ohne Uhren, in der nichts gemessen wurde außer präzise portioniertem Schmerz. Er trat vor und packte den Sessel. Der Jones schluckte zwischen kurzen, rauen Atemstößen. Die Haut seiner Wangen und seiner Stirn glänzte im Licht.
»Hast du immer noch das Gefühl, dass du dich erbrechen musst?«, fragte Geiger und beobachtete, wie Überraschung und allmähliches Begreifen in die Augen des Jones traten.
»Nein«, sagte er. »Das hab ich nicht.«
»Gut.« Geiger blickte auf den verchromten Rollwagen und die darauf bereitliegenden Gegenstände – einen schaumgummiumwickelten Baseballschläger, ein sechs Zoll langes Tantō-Messer von Smith & Wesson und ein Drucklufthorn von SeaChoice. Der Jones folgte ihm mit dem Blick. Geiger war sicher, dass keines dieser Instrumente ins Spiel kommen würde, doch das wusste der Jones nicht. Er begann, den Raum an den Wänden abzugehen.
»Wir gelangen an die Wahrheit, Charles – vielleicht in mehrerlei Hinsicht, als man annehmen sollte.« Er drückte auf einen Knopf an der Wand, und die Audioschleife stoppte. »Du bist ein hochintelligenter Mann. Ist dir klar, dass alles, was von jetzt an geschieht, fast ausschließlich allein von dir abhängt?«
Der Jones lachte grimmig und löste damit einen kurzen Anfall trockenen Hustens aus. »Also bin ich es, der bestimmt, wo es langgeht?«
»Ich habe nicht vom Bestimmen gesprochen, sondern von Ursache und Wirkung. Begreifst du den Unterschied?«
Geiger hatte für alles, was während einer Sitzung geschah, Kategorien geschaffen. Anfängliche Körpersprache, Mienenspiel und muskuläre Reaktionen bei der Vernehmung, Stimmtonlage und Sprachrhythmus, emotionale Ausbrüche, Verzögerungs- und Irreleitungstaktiken, Formen der Leugnung – achtzehn Kategorien pro Gebiet, jede mit Dutzenden von Varianten. Er war ein stets weiterentwickeltes, lebendes Lehrbuch der Folter – Student, Historiker, Experte. Doch als der Veruntreuer den Kopf um ein paar Grad neigte, sah Geiger ihn lächeln und glaubte nicht, dass das in eine bestimmte Gruppe passte.
»Ich schlage Ihnen ein Geschäft vor«, sagte der Jones.
»Verhandlungen sind nicht Teil des Prozesses.«
»Ich verhandle auch nicht. Ich werde Ihnen sagen, was Sie wissen wollen«, sagte der Mann. »Ich weiß, wie es endet. Ich weiß es seit Jahren. Ich wusste nur nicht, wann. Das ist das Schwierige dabei – nicht zu wissen, wann Schluss ist. Wie wäre es also mit Folgendem? Ich stelle eine Frage, und Sie antworten, dann stellen Sie eine Frage, und ich antworte, und so weiter – und am Ende haben Sie, was Sie brauchen. Das ist doch fair, oder?«
Erneut analysierte Geiger die Stimme. Er tastete sie auf Anzeichen für Manipulation ab. Immerhin hatte der Mann professionell ein falsches Spiel betrieben … Doch er entdeckte eine Öffnung, einen Weg. Unorthodox, aber zweckdienlich.
»Was wollen Sie mich fragen?«
Das Lächeln des Jones wurde breiter. »Haben Sie sich je geirrt?«
»In welcher Hinsicht?«
»Sie beenden einen Job, geben Ihrem Klienten die Information, die er will – und später ruft dann der Klient an und sagt, die Information sei falsch. Dass das, was Sie für die Wahrheit hielten, eine Lüge war. Diese Art Irrtum meine ich.«
»Nein. Wo ist das Geld, das du von Mr. Redding unterschlagen hast, Charles?«
Der Jones zögerte nicht. »Auf der Falstead Channel Islands Bank und der Cayman Royal Bank. Bei jeder drei Konten.« Er seufzte, und sein Kopf sank ein paar Grad. Geiger war sich nicht sicher, weshalb. Vielleicht Erschöpfung – oder Erleichterung.
»Wie machen Sie es?«, fragte der Mann.
»Woher es kommt, dass ich mich nicht irre?« Geiger drehte den Kopf nach links, bis er ein Knacken hörte. »Weißt du, wie man ein Klavier stimmt?«
»Nein.«
»Der Klavierstimmer benutzt eine Stimmgabel, die heute häufig elektronisch ist, und setzt einen Ton von den achtundachtzig auf die korrekte
Weitere Kostenlose Bücher