Der Experte: Thriller (German Edition)
wartete auf irgendein Anzeichen, dass es sich um Ironie oder Flirtkunst handelte, wartete auf das leiseste Krümmen seiner Mundwinkel. Doch dazu kam es nie. Er blinzelte nicht einmal.
»Rosanna, arbeiten Sie in diesem Fall allein?«
Sie konnte nicht sagen, in welchem Tonfall er sprach – er hatte eigentlich gar keinen Tonfall –, aber die Frage berührte dennoch einen ihrer wunden Punkte.
»Macht Sie das nervös?«, fragte sie.
»Ich werde nicht nervös.«
»Bei keinem Einsatz ist mehr als einer von unserer Abteilung dabei. Das ist die übliche Vorgehensweise bei Deep Red. Bei diesem Einsatz bin ich es, und wir haben einen Subunternehmer in Paris. Er hat schon ein Dutzend Mal für Deep Red gearbeitet.« Sie leerte ihren Kaffeebecher und runzelte die Stirn. »Wissen Sie was? Offiziell habe ich jetzt Urlaub. Sie haben mir den Einsatz gegeben, weil Dalton mir Bericht erstattet hat, und ich weiß mehr über Sie beide als sonst jemand. Außerdem hatte ich ja bereits mit Ihnen zu tun.« Sie blieb vor einem Kleiderschrank stehen. »Wenn Sie also Probleme mit mir haben – dann sagen Sie es jetzt.«
»Was für Probleme?«
»In diesen Feldern gibt es Männer, die ein Problem damit haben, dass ich eine Frau bin.«
Geiger legte zwei sorgfältig gefaltete schwarze Pullover in den Koffer. Er war sich sicher, dass sie ihren Gesprächston ständig kontrollierte. Und vermutlich besaß sie einen Hang zum Sarkasmus, den zu bezähmen sie hatte lernen müssen.
»Rosanna, Ihr Geschlecht spielt für mich keine Rolle.«
Zanni wollte sich umdrehen und ihm ins Gesicht sehen, aber sie war sich unsicher, wie ihr eigenes Gesicht wirkte, und daher fuhr sie nur mit den Fingerspitzen über das glatte, schimmernde Holz. In einer Hinsicht war sie sich ganz sicher: Sie kannte auf der Welt keinen anderen Mann, der solch ein Statement abgegeben hätte.
»Gut«, sagte sie. »Dann haben wir klare Verhältnisse.« Sie betrachtete die wundervollen Muster im Holz. »Sie restaurieren so was?«
»Nein. Ich baue sie.«
»Sie bauen so etwas?«
»Ja. Aus altem Holz.«
Sie trat einen Schritt zurück, um einen besseren Blick auf die gesamte Menagerie zu haben. »Damit haben Sie sich befasst?«
»Ja.«
Sie wandte sich ihm zu. »Sie sind wunderschön.«
Er sah zu ihr hoch. Er gab weniger preis als eine Sphinx, und Zanni empfand ein Verlangen, einen Drang, zu ihm zu gehen und ihm ins Gesicht schlagen – einfach, um zu sehen, wie er darauf reagierte. Sie hatte das Bedürfnis, eine ungeglättete Kante zu sehen – mehr als die stille Oberfläche. Er schloss den Reißverschluss des Koffers.
»Leichtes Gepäck«, sagte sie.
»Nur ein paar Tage, dann bin ich wieder hier – oder tot.«
»Irgendwie scheinen Sie die Dinge zu … destillieren. «
Geiger drehte den Kopf nach links. Wieder knackte es.
»Okay«, sagte Zanni. »Ich muss das fragen. Was hat es mit Ihrem Hals auf sich?«
»Eine Wirbelschädigung. Als Junge habe ich auf dem Boden eines sehr kleinen Wandschranks geschlafen … jahrelang. Es war eng dort.«
Vor ihrem inneren Auge blitzte eine erschütternde Szene auf, was sie völlig unvorbereitet traf. Sie unterdrückte es und blickte auf die Uhr.
»Ich reise in zwei Stunden ab. Der Subunternehmer beobachtet bereits das Hotel – Eingänge und Ausgänge. Wir sind ganz in Ihrer Nähe.«
»Leben Sie wohl, Rosanna.«
Sie beschloss, die verschiedenen Deutungsmöglichkeiten seines Grußes nicht zu ergründen, und ging auf die Tür zu.
»Eine Bitte noch«, sagte sie. »Nennen Sie mich nicht Rosanna. Nennen Sie mich Soames oder Zanni, aber nicht Rosanna. Meine Eltern haben mich nach dem Lied benannt – dem von Toto.«
»Ich kenne den Song.«
»Und ich hasse ihn.«
»Den Song oder den Namen?«
»Beides. Die ganze Schulzeit hindurch haben zehntausend Idioten dieses Lied gesungen, wann immer ich den Korridor entlangkam. Also nennen Sie mich nicht Rosanna.« Sie öffnete die Tür. »Wir sehen uns in Paris.« Sie ging hinaus und schloss die Tür hinter sich.
Geigers Finger begannen einen gelassenen, schleifenden Trommelwirbel auf dem Koffer. Mental speicherte er ihr Profil ab. Bei ihrer ersten Begegnung auf der Straße hatte er entschieden, dass es am besten war, wenn er nicht glaubte, was sie sagte. Nun hatte sich seine Analyse um ein paar Grad verschoben, und er präzisierte seine Sichtweise. Das, was er zuerst für Verschlagenheit gehalten hatte, beinhaltete mehr als nur Hinterlist. Das Giftgemisch enthielt auch eine Portion
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