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Der Experte: Thriller (German Edition)

Der Experte: Thriller (German Edition)

Titel: Der Experte: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Allen Smith
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sich für den Zug und seine überfüllten Waggons statt für die Einsamkeit in einem Taxi, damit er beginnen konnte, Gesichter zu beobachten und zu katalogisieren, falls eines davon später wieder auftauchen sollte – an einer Straßenecke stehend, an einem Cafétisch etwas trinkend, aus dem Fahrerfenster eines Autos blickend. Die Chancen waren gering, aber vorhanden.
    Aus einem unerfindlichen Grund ging er, als er am Gare du Nord ankam, eine Etage hinunter zur Metro und nahm die Linie B nach Süden. Obwohl es freie Plätze gab, entschied er sich, in der Mitte des Waggons zu stehen, mit Blick auf beide Seiten. Er war noch nie in Paris gewesen, doch die Geografie war nicht von primärer Wichtigkeit. Es hätte genauso gut Rom, London, Prag oder Madrid sein können. Kulturelle Regeln, die Sprache, städtische Gewohnheiten – sie mochten eine gewisse Bedeutung besitzen, doch bei strategischen Entscheidungen spielten sie kaum je eine größere Rolle.
    Die Blicke der Mitfahrenden waren auf PDAs und Zeitungen gesenkt, Kabel baumelten aus den Ohren – der moderne Android, verzückt und isoliert, gleichgültig gegenüber dem Fleisch ringsum. Nur wenige blickten je von ihrer Lektüre auf, und niemand sah zu Geiger hin.
    Hier ging es nicht um den Ort, sondern um spezifische Ziele. Um Kräfte, die einander ausspielten, um Navigation, Instinkt und Ausführung, Flexibilität und Reaktion. Er war – in vielerlei Hinsicht – Beute, Bauer, Steuermann, Dirigent, und die Natur des Konstrukts und die Wünsche der Beteiligten würden sicherstellen, dass Menschen zu Tode kamen.

16
    Das Hôtel Maroq war ein einfaches vierstöckiges Gebäude aus grauem Stein, zwischen zwei Apartmenthäuser gequetscht, deren Fassaden die klassischen Pariser schmiedeeisernen Balkons schmückten. Direkt gegenüber lag ein weiteres kleines Hotel, das Hôtel Estival mit sechzehn Fenstern, die einen unverstellten Blick auf den Eingang des Maroqs boten. Auf der Einbahnstraße durfte man nur an einer Seite parken, und die Autos standen dort Stoßstange an Stoßstange.
    Vor dem Eingang verharrte Geiger und musterte sein Spiegelbild in der Scheibe. In diesem kurzen Moment spürte er die Dominokraft hinter seinen möglichen Entscheidungen. Er war der König des Schicksals. Er konnte einfach weitergehen, um die Ecke biegen, ein Taxi heranwinken, zum Flughafen fahren und sich in eine Maschine mit beliebigem Ziel auf der ganzen Welt setzen. Oder er konnte die Tür öffnen, in der er sein Gesicht sah, und das Hotel betreten – und Gewalten in Bewegung setzen, die ausfächern, Geschwindigkeit aufnehmen und einen eigenen Schwung erhalten würden, während sie voraneilten und auf ihrem Weg jeden bis zu einer Endstation mitnahmen, an der Leben enden würden. Die erste Möglichkeit verhieß Sicherheit, die zweite eine Fahrt mit dem Zufall.
    Er blickte zu dem Hotel auf der anderen Straßenseite hinüber. Die Sonne tauchte die Fenster in Gold und verweigerte ihm einen Blick hinter ihre Scheiben. Sie waren hier irgendwo – die, die für Dalton arbeiteten, und die, die in Soames’ Sold standen –, aber es spielte keine Rolle. Geiger packte den Türgriff und ging ins Foyer.
    Die Böden bestanden aus altem Stein, die Wände waren mit deckenhohem dunklen Eichenholz getäfelt, in das streifenweise getönte Spiegel eingelassen waren. Rechts stand eine Sitzgruppe – ein Glastisch mit drei hochlehnigen Chantilly-Stühlen. Auf einem davon saß ein Mann in Slacks und Sportsakko, die Beine übergeschlagen. Er las L’Express. Die Zeitung hielt er so hoch, dass sie sein Gesicht verbarg. Sein Fuß im Quastenslipper wiegte sich ständig am Knöchel hin und her. Wie er die Seiten umblätterte, suchte er entweder nach einem bestimmten Artikel oder langweilte sich. Oder er las gar nicht.
    Geiger ging nach links zur Empfangstheke mit Marmorplatte, wo ihn ein kleiner, gepflegter Mann in grauem Anzug erwartete. Das silberne Schild an seinem Revers verriet, dass er Claude hieß. Die Art, wie er mit Daumen und Zeigefinger an seinem gestutzten Schnurrbart zupfte, verriet, dass er seine Furcht vor einem direkten Kontakt mit anderen Menschen nie ganz überwunden hatte.
    »Bonjour, Monsieur.«
    »Mein Name ist Dalton.«
    »Ah … Mister Dalton. Willkommen im Hôtel Maroq.« Er tippte auf seiner Tastatur, wandte sich zu den Wandfächern hinter ihm um und zog aus einem davon einen Umschlag. Dann nahm er einen Schlüssel mit einem visitenkartengroßen Anhänger, in den in goldener

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