Der Facebook-Killer: Thriller (German Edition)
verzerrt, erfüllte noch eine andere, wichtige Funktion: Es machte ihn real. Er war kein Schatten mehr, kein Mythos, nicht der „Facebook-Killer“, an dessen Taten sich die Presse weiden und die sie in allen grausamen, notfalls auch erfundenen Einzelheiten über ihre Titelseiten schmieren konnte. Er war jetzt ein echter Verbrecher aus Fleisch und Blut. Ein mehrfacher Mörder. Nicht weniger, aber auch nicht mehr.
„Das ist keine Antwort.” Geza Wolfs Stimme peitschte durch die atemlose Stille der Telefonzentrale wie eine reißende Stahlsaite. „Sie wollen mir mit Bibelzitaten kommen? Na gut. Mein ist die Rache, spricht der Herr: 5. Buch Mose, Kapitel 32, Vers 35. Aber Sie schwingen sich selbst zum Richter auf. Sie foltern ihre Opfer, Sie stellen ihnen Fallen, Sie richten sie hin. Sie sind es, der das Streichholz wirft, Sie drücken den Abzug, Sie führen den Knüppel und den Dampfnagler. Sie spielen Gott, Sie bigottes Arschloch.“
„Nein. Ganz falsch, Madame Docteur. Gott würfelt nicht, hat Einstein gesagt. Ich hingegen, ich bin nur sein bescheidenes Werkzeug, und ich richte nicht ... im Gegenteil, ich habe der einen, die so nett um Gnade bettelte, sogar eine Chance gelassen. Ja, ich gesteh es: Ich habe ein Spiel mit der Ordnungsmacht gespielt. Ich habe den tragischen Helden angerufen, aber der tragische Held kam zu spät. Ist Monsieur Fronzac auch da? Bestimmt, oder? Grüßen Sie ihn von mir, Docteur Wolf, und natürlich von seiner zuckersüßen kleinen Freundin. Sagen Sie ihm, er war zu langsam für die läuternden Flammen. Sie alle werden immer zu langsam sein. Ich bin das Werkzeug SEINER Rache, und ich bin unaufhaltsam ... Ich bin Vince Vega. Ich bin der Facebook-Killer.“ Er lachte. Ganz offensichtlich gefiel ihm der Beiname, den die Medien für ihn gefunden hatten. „Das Feuer brennt. Die Kugel durchbohrt. Das Wasser nimmt den letzten Rest von Luft. Niemand kommt hier aus dem Gericht, der nicht ohne Sünde ist.” Wieder Gelächter, verzerrt, heiser und schnarrend. „Die Audienz ist vorbei, Dreckfotze. Wenn noch was ist: Du weißt, wo du mich findest.”
Ein Klicken. Dann erfüllte ohrenbetäubend laut ein Freizeichen aus den Boxen den Raum.
Geza Wolf holte tief Luft. Sie blickte auf und sah dem missbilligenden Blick Dr. Eudes auf sich gerichtet. Über die Schulter der Psychologin sah sie das kreidebleiche Gesicht Maxime Fronzacs. Sie wirbelte herum und sah in Richtung des jungen Technikers. Der riss gerade hektisch einen Kopfhörer von seinen Ohren.
„Wir haben ihn! Er telefoniert von einem Handy aus – und es ist noch immer eingeschaltet! Er führt mit irgendwem ein weiteres Gespräch!“ Vor Aufregung hatte der dünne junge Mann rote Flecken am Hals bekommen.
„Wo?“, rief Bavarois nicht weniger aufgeregt.
Der junge Mann blickte auf seinen Bildschirm.
„Er ist mitten in der Innenstadt – an dem großen Kreisel vor den Galeries Lafayette! Dort in der Nähe des Abgangs zur Metro ...“
Bavarois stürzte sich quasi ans Funkpult.
„An alle Einheiten! Hier spricht Commandant René Bavarois, DSCS. Die folgende Fahndung hat oberste Priorität – Gefahr im Verzug. Ich brauche sofort alle verfügbaren Einheiten am Schnittpunkt Boulevard Haussmann/Rue de la Chaussée d’Antin/Rue la Fayette. Wir suchen ...“ Sein Blick wanderte zu Geza. „Wir suchen einen Mann um die Vierzig, wahrscheinlich gut gekleidet, der mit einem Handy telefoniert. Vorsicht, der Mann ist bewaffnet. Mit Widerstand ist zu rechnen.“ Eine kurze Pause. „Wir brauchen den Mann unbedingt. Er hat wahrscheinlich einen Kollegen erschossen. Nehmt im Notfall jeden fest, der auch nur aussieht, als hätte er ein Handy.“
„Na, der hat Nerven“, knurrte Arthur Lasalle und startete den Streifenwagen.
„Das kannst du laut sagen“, nuschelte seine
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