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Der Fälscher, die Spionin und der Bombenbauer: Roman (German Edition)

Der Fälscher, die Spionin und der Bombenbauer: Roman (German Edition)

Titel: Der Fälscher, die Spionin und der Bombenbauer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Capus
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Lampenfieber zurück und das Gejohle des Publikums, wenn sie ihr Strumpfband herzeigte.
    Kam hinzu, dass der Arbeitsalltag in der Musikalienhandlung die Eheleute langweilte; dass das Kaufmannsleben derart eintönig sein würde, hätten sie sich nicht träumen lassen. Sie waren deshalb dankbar, dass die Tochter nach ihrer Rückkehr Verantwortung übernahm. Laura erledigte die Botengänge und putzte das Schaufenster, fegte morgens das Trottoir und bohnerte abends nach Ladenschluss das Parkett, und am Montag der vierten Woche nahm sie beim Frühstück die Ladenschlüssel an sich und sagte den Eltern, sie sollten sich ruhig Zeit lassen mit der Morgentoilette und danach noch auf ein Stündchen zum Zeitunglesen ins Kaffeehaus gehen. Das taten sie denn auch. Am folgenden Morgen gingen sie erneut ins Kaffeehaus und am übernächsten auch, und bald ließen sie sich nur noch spätnachmittags im Laden blicken und überließen das Geschäft ganz der Tochter.
    Das war Laura recht. Sie war am liebsten allein, dann konnte sie nach Belieben schalten und walten, und viel Arbeit hatte sie mit dem Laden nicht. Während der stillen Morgenstunden stellte sie sich hinter dem Verkaufstresen in Positur und sang Tonleitern. Nachmittags setzte sie sich mit einem Stuhl neben der Eingangstür aufs sonnenbeschienene Trottoir, rauchte Zigaretten und beobachtete das Treiben am Hafen. Wenn ein Kunde den Laden betrat, folgte sie ihm ins Halbdunkel und suchte die gewünschten Notenblätter hervor. Die meisten Kunden waren Auswanderer, die vor der großen Überfahrt noch rasch ein Stück musikalische Heimat besorgen wollten. Mozart, Schubert, Vivaldi, Chopin, Bach, Be eth oven, Mahler. Und manche nahmen noch eine Mundharmonika mit auf die Reise.
    Laura konnte ihnen fast jeden Wunsch erfüllen, das Sortiment war breit und das Lager, das die d’Orianos von ihren Vorgängern übernommen hatten, schier unerschöpflich; um Nachbestellungen würde sie sich erst einmal nicht kümmern müssen. Da keine Einkaufs-, Miet- oder Lohnkosten anfielen, konnte Laura die gesamten Einnahmen als Gewinn verbuchen. Das erleichterte die Buchhaltung erheblich.
    Mit ihr verdreifachte sich der Umsatz, Laura war eine gute Verkäuferin. Sie behandelte jeden Kunden mit der gleichen sachlichen Freundlichkeit und konnte sich mit den meisten in ihrer jeweiligen Muttersprache unterhalten. Außerdem kannte sie sich in ihrem Laden aus und zog das Gewünschte mit sicherem Griff hervor. Und wenn der Kunde zufrieden den Laden verließ, schaute sie ihm hinterher, bis er im Strom der Menschen verschwunden war, und stellte sich vor, wie er mit ihren Notenblättern übers Meer fahren und sich in einem Dschungel, einer Savanne oder einem Handelskontor am Ende der Welt niederlassen würde, und wie er tagsüber irgendeine Pflicht erledigen und abends im blakenden Licht der Petrollampe zum nächtlichen Geschrei der Schimpansen schweißüberströmt seinen Mozart, seinen Schubert oder Chopin üben würde, viele hundert Stunden lang, bis er eines Tages schwerkrank, schwerreich oder schwer enttäuscht in die alte Heimat zurückkehren würde.
    Auffällig war, dass die meisten Kunden in der Musikalienhandlung ausgesprochen gute Manieren an den Tag legten. Das hatte nichts mit ihrer musikalischen Neigung zu tun – zu allen Zeiten hatte es gerade unter Musikern die größten Rüpel und Kindsköpfe gegeben –, sondern mit ihren Reiseplänen. Lauras Kunden waren deshalb so höflich, weil sie Emigranten waren und ein Ziel vor Augen hatten, das sie nicht durch unnötigen Ärger gefährden wollten. Deshalb bemühten sie sich um Unauffälligkeit und versuchten, nirgends Anstoß zu erregen.
    Vor ihrer Abreise aus der Heimat waren sie vielleicht ganz gewöhnliche, durchschnittlich rüpelhafte Dorfschwengel gewesen, die sich in der wohligen Wärme des väterlichen Schweinekobens stark und unverletzbar fühlten und es deshalb nicht nötig hatten, zu ihren Mitmenschen sonderlich höflich zu sein. Aber dann waren sie aus diesem oder jenem Grund von zu Hause weggegangen und hatten für teures Geld eine Schiffskarte gelöst, und bis sie in See stachen, wollten sie tunlichst alles unterlassen, was sie noch daran hindern konnte, an Bord zu gehen.
    Sie hielten keine Mittagsschläfchen auf öffentlichen Parkbänken und ersäuften ihren Abschiedsschmerz nicht im Anisschnaps, und wenn ein Zigarettenverkäufer sie ums Wechselgeld betrog, machten sie keinen Aufstand, sondern ließen es gut sein. Wenn sie Lauras Laden

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