Der Fälscher, die Spionin und der Bombenbauer: Roman (German Edition)
Nachbarin.
Das stimmt allerdings, sagte Laura. Oder wie die deines Vaters.
Meine Mutter findet deine Unterwäsche übrigens sehr hübsch. Aber die Leute können nun mal sehen, dass sie dir gehört.
Es tut mir leid, dass meine Unterwäsche dir peinlich ist.
Du musst das verstehen, wir sind hier nicht in Marseille. Die Leute schauen sich unsere Wäscheleine an und merken sich genau, was da für Unterwäsche hängt. Und dann verdrehen sie sich sonntags in der Kirche die Hälse und grinsen, weil sie wissen, was du unter dem Rock anhast.
Ist das so?
Es tut mir leid.
Emil und Laura schauten einander an. Der Wäschekorb hing zwischen ihnen. Weitere Worte waren nicht nötig, beide hatten alles gesagt und alles verstanden. Emil breitete die Arme aus und hielt die Handflächen nach oben wie einer, der für eine offensichtliche Tatsache um Verständnis wirbt. Laura nickte bedächtig.
Dann gehe ich jetzt mal hinters Haus.
Am Nachmittag nahm sie ihre trockene Unterwäsche von der Leine, trug sie aufs Zimmer und packte sie in ihren alten, edlen Handkoffer zu ihren Röcken, den Toilettensachen und ihrem Reisepass. Dann trug sie den Koffer leise aus dem Haus und versteckte ihn hinter einem Stapel Brennholz.
Nach dem Abendessen brachte sie die Kinder zu Bett, versorgte den Ofen mit Kohle für die Nacht und ging noch mal aus dem Haus, um wie gewohnt im Apfelhain ein paar Schritte zu gehen und die letzte Zigarette des Tages zu rauchen. Und als sie am Brennholzstapel vorbeikam, packte sie in einer einzigen fließenden Bewegung ihren Koffer und ging ohne Hast ans Ende des Apfelhains, kletterte über den Zaun und lief am Stichbach entlang bis zur Mühle und dann hügelan. Oben bei der Ruine Liebburg angekommen, setzte sie sich auf ihre Bank, schaute zum Abschied hinunter aufs nächtlich dunkle Bottighofen und weinte um ihre zwei Töchter und um Emil Fraunholz. Sie nahm ein Taschentuch und trocknete ihre Tränen, stand auf und ging entschlossen weiter südwärts, dem nächsten Bahnhof entgegen.
Siebentes Kapitel
Je länger Emile Gilliéron in Griechenland blieb, desto mehr füllten sich seine Taschen mit Geld – nicht nur mit griechischen Drachmen, sondern auch mit französischen Goldfrancs, britischen Pfund Sterling sowie Goldmark und US -Dollar. Nach zehn Jahren in Schliemanns Diensten war er längst wohlhabend genug, sein Haus am Genfersee bauen zu lassen, auch hätte er es schön ausstatten und eine ganze Weile ohne Erwerbseinkommen in süßem Nichtstun leben können. Trotzdem verschob er die Heimreise immer wieder von einem Jahr zum nächsten. Alle paar Monate bekam er einen Brief von seiner Mutter, in dem sie sich erkundigte, ob er in Griechenland auch ordentlich zu essen bekomme und warm angezogen sei, und ob er denn überhaupt kein Heimweh habe. Dann antwortete er ihr jedes Mal, dass er am liebsten sofort heimkehren würde, aber als verheirateter Mann die wichtigen Entscheide des Lebens nicht mehr alleine fällen könne.
Das war wohl wahr. Seine Gattin hatte ihm zu wiederholten Gelegenheiten aufs deutlichste zu verstehen gegeben, dass sie als gebürtige Athenerin sich nur schwer mit dem Gedanken würde anfreunden können, den Rest ihres Lebens in einem verschneiten Hochgebirgstal in Gesellschaft frei lebender Wölfe und Bären zu verbringen. Zudem müsste man ihre verwitwete Mutter und die ledig gebliebene Schwester mitnehmen und ebenso Sohn Emile junior, der doch als Athener Gassenjunge rundum glücklich heranwachse.
All das hinderte Emile Gilliéron tatsächlich an der Rückkehr nach Villeneuve. Das wichtigste Hemmnis aber, das er der Mutter schamhaft verschwieg, war das Geld. Die Geschäfte liefen zu gut, als dass er sie hätte aufgeben können. Denn bei aller Liebe zur Bohème war er tief in seinem Inneren doch ein bäuerlich geprägter Lehrersohn geblieben, der nicht anders konnte, als die Äpfel zu pflücken, wenn sie reif waren. Und weil seine Äpfel nun wirklich reif waren und ein Ende der Erntezeit nicht abzusehen war, schob er die Heimkehr ein Jahr ums andere hinaus und wurde gegen seinen Willen sesshaft und wohlhabend.
Das Geld floss reichlich nach Athen zu jener Zeit. Heinrich Schliemann hatte mit seinen trojanischen Entdeckungen im gesamten Abendland eine nie gekannte Griechenland-Begeisterung ausgelöst; wenn er der Welt verkündete, dass er den Schatz des Priamos gehoben habe, wollte alle Welt diesen Schatz besichtigen. Weil aber der Schatz des Priamos nicht gleichzeitig in sämtlichen Museen von
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