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Der Faenger im Roggen - V3

Titel: Der Faenger im Roggen - V3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. D. Salinger
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die ganze Nacht lesen, ob es
    Phoebe gehört oder einem anderen Kind. Notizbücher von Kindern werfen mich jedesmal um. Dann
    zündete ich mir wieder eine Zigarette an - es war die letzte. Ich hatte an dem einen Tag sicher
    drei Päckchen geraucht. Schließlich weckte ich Phoebe. Ich konnte ja nicht für den Rest meines
    Lebens an diesem Schreibtisch sitzen bleiben, und außerdem hatte ich Angst, daß meine Eltern
    hereinplatzen könnten, und ich wollte ihr wenigstens vorher noch guten Tag sagen. Deshalb
    weckte ich sie.
Sie wacht sehr leicht auf. Ich meine, man braucht sie nicht anzubrüllen oder so. Eigentlich
    genügt es schon, daß man sich auf ihr Bett setzt und sagt: »Wach auf, Phoebe«, dann ist sie
    schon wach.
» Holden !« sagte sie sofort und schlang die Arme um meinen Hals und so. Sie ist sehr
    zärtlich. Ich meine, für ein Kind ist sie wirklich zärtlich. Manchmal sogar zu zärtlich. Ich
    gab ihr einen Kuß, und sie sagte: »Seit wann bist du zu Hause?« Sie freute sich furchtbar, das
    konnte man sehen.
»Nicht so laut. Grade jetzt gekommen. Wie geht's?«
»Gut. Hast du meinen Brief bekommen? Ich hab dir fünf Seiten-«
»Jaja - nicht so laut. Danke vielmals.«
Sie hatte mir geschrieben, aber ich hatte ihr nicht mehr antworten können. Der ganze Brief war
    über eine Schüleraufführung, bei der sie mitspielte, und ich sollte für den Freitag nichts
    anderes abmachen, damit ich es sehen könne.
»Was macht die Aufführung?« fragte ich. »Wie heißt das Stück eigentlich?«
»Ein Weihnachtsspiel für Amerikaner! Miserabel, aber ich bin Benedict Arnold. Ich hab die
    größte Rolle«, sagte sie. Sie war hellwach. Sie wird immer ganz aufgeregt, wenn sie von so
    etwas erzählt.
»Es fängt an, als ich am Sterben bin. Am Heiligen Abend kommt dieser Geist und fragt mich, ob
    ich mich schäme oder so. Verstehst du. Weil ich mein Land verraten habe und so weiter. Kommst
    du auch?« Sie saß kerzengerade im Bett. »Davon hab ich dir eben geschrieben. Kommst du?«
»Natürlich, ganz sicher komme ich.«
»Dad kann nicht. Er muß nach Kalifornien fliegen«, sagte sie.
Sie war wirklich ganz hellwach. Es dauert bei ihr nur zwei Sekunden, bis sie ganz wach ist. Sie
    saß - oder kniete eigentlich halb - im Bett und hielt meine blöde Hand. »Du, die Mutter hat
    gesagt, daß du am Mittwoch kommst. Am Mittwoch, hat sie gesagt.«
»Ich konnte früher weg - sei nur leise. Du weckst noch alle auf.«
»Wieviel Uhr ist? Sie kommen erst spät heim, hat die Mutter gesagt. Sie sind zu einer Einladung
    in Norwalk gefahren, in Connecticut«, sagte die gute Phoebe. »Jetzt mußt du raten, was ich
    heute nachmittag gemacht hab! In welchem Film ich war! Rat!«
»Ich weiß nicht- Hör, haben sie nicht gesagt, um wieviel Uhr sie-«
» Der Arzt «, sagte Phoebe. »Das ist ein besonderer Film, den sie bei der Lister-Stiftung
    gegeben haben. Nur gerade heute, nur an einem Tag. Es war von dem Doktor in Kentucky, der
    diesem Mädchen eine Decke über den Kopf tut, weil sie ein Krüppel ist und nicht gehen kann.
    Dann kommt er ins Gefängnis und so weiter. Es war ausgezeichnet.«
»Wart einen Augenblick. Haben sie nicht gesagt, wann sie -«
»Er hat Mitleid mit ihr, dieser Arzt. Deswegen wirft er ihr die Decke über den Kopf, bis sie
    erstickt. Dann tun sie ihn lebenslänglich ins Gefängnis, aber dieses Kind, dem er die Decke
    über den Kopf getan hat, besucht ihn die ganze Zeit und dankt ihm dafür, was er getan hat. Er
    war ein Mörder aus Mitleid. Aber er selber weiß, daß er es verdient hat, daß er ins Gefängnis
    muß, weil ein Arzt dem lieben Gott nichts wegnehmen darf. Die Mutter von einer in meiner Klasse
    hat uns mitgenommen. Alice Holmborg. Sie ist meine beste Freundin. Sie ist die einzige in der
    ganzen-«
»Wart einen Augenblick, bitte!« sagte ich. »Ich hab dich etwas gefragt. Haben sie gesagt, wann
    sie zurückkommen, oder haben sie nichts davon gesagt?«
»Nein, aber sicher sehr spät. Sie sind mit dem Auto gefahren, damit sie nicht von den Zügen
    abhängig sind. Wir haben jetzt ein Radio drin! Aber Mutter hat gesagt, man dürfe es nicht
    andrehen, wenn man im Verkehr ist.« Ich war etwas erleichtert. Ich meine, ich machte mir
    schließlich keine Sorgen mehr, ob sie mich zu Hause erwischen würden. Zum Teufel damit. Wenn
    sie mich erwischten, dann erwischten sie mich eben. Diese Phoebe muß man gesehen haben. Sie
    hatte einen blauen Pyjama an, mit roten Elefanten auf dem Kragen. Sie schwärmt für
    Elefanten.
»Der Film

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