Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Faenger im Roggen - V3

Titel: Der Faenger im Roggen - V3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. D. Salinger
Vom Netzwerk:
soviel.«
»Dir wäre es davon schlecht geworden, das schwör ich«, sagte ich. »Und dann die Veteranenfeier!
    An dem Tag kommen alle, die im Jahr 1776 oder wann das Examen gemacht haben, und laufen mit
    ihren Frauen und Kindern und allen überall herum. Einen, ungefähr fünfzig Jahre alt, hättest du
    sehen sollen. Der hat bei uns an die Tür geklopft und ist ins Zimmer gekommen und hat gefragt,
    ob wir etwas dagegen hätten, daß er in die Toilette ginge. Die Toilette ist hinten im Gang -
    ich weiß wahrhaftig nicht, warum er ausgerechnet uns fragen mußte. Weißt du, was er gesagt hat?
    Er wollte sehen, ob seine Initialen immer noch innen an einer Klosettüre wären. Er hatte
    nämlich seine verdammten blöden Initialen vor ungefähr neunzig Jahren in eine von diesen Türen
    gekerbt, und jetzt wollte er also sehen, ob sie noch da wären.
Stradlater - der mit mir im gleichen Zimmer wohnte - Stradlater und ich haben ihn also zum
    Waschraum geführt und dort gewartet, während er an sämtlichen Klosettüren seine Initialen
    gesucht hat. Dabei hatte er die ganze Zeit davon geschwätzt, daß die Jahre in Pencey die
    glücklichste Zeit in seinem ganzen Leben gewesen wären, und uns haufenweise gute Ratschläge für
    die Zukunft gegeben. Der hat mich schön deprimiert. Er war gar nicht so übel - das meine ich
    nicht. Aber einer braucht ja kein schlechter Mensch oder so zu sein, um jemand zu deprimieren -
    er kann sogar gut sein, und einen deprimieren. Es genügt schon, daß einer einen Haufen
    verlogene Ratschläge von sich gibt, während er an irgendeiner Klosettür seine Initialen sucht -
    mehr braucht es nicht. Ich weiß nicht. Vielleicht wäre es weniger schlimm gewesen, wenn er
    nicht so kurzatmig gewesen wäre. Er war noch vom Treppensteigen außer Atem, und beim Suchen
    nach seinen Initialen hat er die ganze Zeit gekeucht, mit komischen traurigen Nasenflügeln,
    während er Stradlater und mir erzählte, daß wir die Zeit in Pencey richtig ausnützen sollten.
    Großer Gott, Phoebe, ich kann dir nicht alles erklären. Ich habe einfach nichts von all dem
    ausstehen können, was in Pencey passierte. Ich kann's nicht erklären.«
Daraufhin sagte Phoebe etwas, aber ich konnte sie nicht verstehen. Sie hatte den Mund so im
    Kissen, daß man sie nicht verstehn konnte.
»Was?« fragte ich. »Komm mit deinem Mund aus dem Kissen. Ich versteh kein Wort, wenn du so da
    liegst.«
»Du kannst überhaupt nichts ausstehn.«
Als sie das sagte, wurde ich noch viel deprimierter.
»Doch. Doch, sicher. Sag das nicht. Warum zum Kuckuck sagst du so etwas?«
»Weil du gar nichts gern hast. Die Schulen hast du nicht gern, und überhaupt alles hast du
    nicht gern. Einfach nichts.«
»Doch! Da täuschst du dich - in dem Punkt täuschst du dich wirklich! Warum zum Kuckuck mußt du
    so etwas sagen?« Herr im Himmel, sie deprimierte mich wahnsinnig.
»Weil es so ist«, sagte sie. »Oder sag irgend etwas, was du gern hast.«
»Irgend etwas? Was ich gern habe?« fragte ich. »Schön.« Dummerweise konnte ich mich nicht
    richtig konzentrieren.
Manchmal ist das schwierig.
»Etwas, was ich richtig gern habe?« fragte ich.
Sie gab keine Antwort. Sie lag drüben auf der andern Seite im Bett. Kilometerweit weg. »Gib
    Antwort, komm«, sagte ich. »Etwas, was ich richtig gern habe, oder einfach nur gern
    habe?«
»Was du richtig gern hast.«
»Schön«, sagte ich. Aber dummerweise konnte ich mich eben nicht konzentrieren. Es fielen mir
    nur die beiden Nonnen ein, die mit diesen alten Körben herumliefen und Geld sammelten.
Besonders die mit der Stahlbrille. Oder einer, der in Elkton Hills gewesen war, James Castle.
    Dieser James Castle weigerte sich, etwas zurückzunehmen, was er über einen furchtbar
    eingebildeten Hund namens Phil Stabile gesagt hatte. Er hatte gesagt, Phil Stabile sei
    eingebildet, und einer von Stabiles blöden Freunden sagte es diesem Stabile weiter. Daraufhin
    ging Stabile mit ungefähr sechs anderen gemeinen Hunden in James Castles Zimmer und schloß die
    verdammte Tür ab und wollte, daß Castle es zurücknähme, aber er weigerte sich. Dann gingen sie
    auf ihn los. Ich will nicht erzählen, was sie mit ihm machten - es ist zu abscheulich -, aber
    der gute Castle wollte es trotzdem nicht zurücknehmen. Und dabei war er ein magerer,
    schwächlich aussehender kleiner Kerl mit bleistiftdünnen Handgelenken. Anstatt seine Behauptung
    zurückzunehmen, sprang er schließlich aus dem Fenster. Ich war gerade im Duschraum und

Weitere Kostenlose Bücher