Der Faenger im Roggen - V3
soviel.«
»Dir wäre es davon schlecht geworden, das schwör ich«, sagte ich. »Und dann die Veteranenfeier!
An dem Tag kommen alle, die im Jahr 1776 oder wann das Examen gemacht haben, und laufen mit
ihren Frauen und Kindern und allen überall herum. Einen, ungefähr fünfzig Jahre alt, hättest du
sehen sollen. Der hat bei uns an die Tür geklopft und ist ins Zimmer gekommen und hat gefragt,
ob wir etwas dagegen hätten, daß er in die Toilette ginge. Die Toilette ist hinten im Gang -
ich weiß wahrhaftig nicht, warum er ausgerechnet uns fragen mußte. Weißt du, was er gesagt hat?
Er wollte sehen, ob seine Initialen immer noch innen an einer Klosettüre wären. Er hatte
nämlich seine verdammten blöden Initialen vor ungefähr neunzig Jahren in eine von diesen Türen
gekerbt, und jetzt wollte er also sehen, ob sie noch da wären.
Stradlater - der mit mir im gleichen Zimmer wohnte - Stradlater und ich haben ihn also zum
Waschraum geführt und dort gewartet, während er an sämtlichen Klosettüren seine Initialen
gesucht hat. Dabei hatte er die ganze Zeit davon geschwätzt, daß die Jahre in Pencey die
glücklichste Zeit in seinem ganzen Leben gewesen wären, und uns haufenweise gute Ratschläge für
die Zukunft gegeben. Der hat mich schön deprimiert. Er war gar nicht so übel - das meine ich
nicht. Aber einer braucht ja kein schlechter Mensch oder so zu sein, um jemand zu deprimieren -
er kann sogar gut sein, und einen deprimieren. Es genügt schon, daß einer einen Haufen
verlogene Ratschläge von sich gibt, während er an irgendeiner Klosettür seine Initialen sucht -
mehr braucht es nicht. Ich weiß nicht. Vielleicht wäre es weniger schlimm gewesen, wenn er
nicht so kurzatmig gewesen wäre. Er war noch vom Treppensteigen außer Atem, und beim Suchen
nach seinen Initialen hat er die ganze Zeit gekeucht, mit komischen traurigen Nasenflügeln,
während er Stradlater und mir erzählte, daß wir die Zeit in Pencey richtig ausnützen sollten.
Großer Gott, Phoebe, ich kann dir nicht alles erklären. Ich habe einfach nichts von all dem
ausstehen können, was in Pencey passierte. Ich kann's nicht erklären.«
Daraufhin sagte Phoebe etwas, aber ich konnte sie nicht verstehen. Sie hatte den Mund so im
Kissen, daß man sie nicht verstehn konnte.
»Was?« fragte ich. »Komm mit deinem Mund aus dem Kissen. Ich versteh kein Wort, wenn du so da
liegst.«
»Du kannst überhaupt nichts ausstehn.«
Als sie das sagte, wurde ich noch viel deprimierter.
»Doch. Doch, sicher. Sag das nicht. Warum zum Kuckuck sagst du so etwas?«
»Weil du gar nichts gern hast. Die Schulen hast du nicht gern, und überhaupt alles hast du
nicht gern. Einfach nichts.«
»Doch! Da täuschst du dich - in dem Punkt täuschst du dich wirklich! Warum zum Kuckuck mußt du
so etwas sagen?« Herr im Himmel, sie deprimierte mich wahnsinnig.
»Weil es so ist«, sagte sie. »Oder sag irgend etwas, was du gern hast.«
»Irgend etwas? Was ich gern habe?« fragte ich. »Schön.« Dummerweise konnte ich mich nicht
richtig konzentrieren.
Manchmal ist das schwierig.
»Etwas, was ich richtig gern habe?« fragte ich.
Sie gab keine Antwort. Sie lag drüben auf der andern Seite im Bett. Kilometerweit weg. »Gib
Antwort, komm«, sagte ich. »Etwas, was ich richtig gern habe, oder einfach nur gern
habe?«
»Was du richtig gern hast.«
»Schön«, sagte ich. Aber dummerweise konnte ich mich eben nicht konzentrieren. Es fielen mir
nur die beiden Nonnen ein, die mit diesen alten Körben herumliefen und Geld sammelten.
Besonders die mit der Stahlbrille. Oder einer, der in Elkton Hills gewesen war, James Castle.
Dieser James Castle weigerte sich, etwas zurückzunehmen, was er über einen furchtbar
eingebildeten Hund namens Phil Stabile gesagt hatte. Er hatte gesagt, Phil Stabile sei
eingebildet, und einer von Stabiles blöden Freunden sagte es diesem Stabile weiter. Daraufhin
ging Stabile mit ungefähr sechs anderen gemeinen Hunden in James Castles Zimmer und schloß die
verdammte Tür ab und wollte, daß Castle es zurücknähme, aber er weigerte sich. Dann gingen sie
auf ihn los. Ich will nicht erzählen, was sie mit ihm machten - es ist zu abscheulich -, aber
der gute Castle wollte es trotzdem nicht zurücknehmen. Und dabei war er ein magerer,
schwächlich aussehender kleiner Kerl mit bleistiftdünnen Handgelenken. Anstatt seine Behauptung
zurückzunehmen, sprang er schließlich aus dem Fenster. Ich war gerade im Duschraum und
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