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Der Faktor X

Der Faktor X

Titel: Der Faktor X Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andre Norton
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berührte. Aber trotz seiner Verletzungen ging er hinüber zu dem toten Ding, schnüffelte an der aufgerissenen Schnauze und dann an der Kehle – so, als sei auch er sich immer noch nicht sicher, was sie beide vor der Katastrophe bewahrt hatte.
    Diskan hob seinen Keulenspeer und näherte sich ebenfalls vorsichtig. Er kämpfte seinen Ekel nieder und berührte den häßlichen Kadaver. Dort, wo seine Waffe den Hals getroffen hatte, fanden seine Finger eine weiche Stelle. War es ihm durch einen glücklichen Zufall gelungen, die Luftröhre des Untiers zu zerstören, so daß es hatte ersticken müssen? Nun, wichtig war schließlich nur, daß es wirklich tot war.
    Der Gestank, der von dem Kadaver ausging, war so abscheulich, daß Diskan sich abwenden mußte und seine Hände im Schnee wusch. Dann sah er zu dem Pelzigen hinüber.
    Seine tiefrote Zunge leckte, so weit sie reichen konnte, über die tiefe Wunde in der Schulter. Auch an der Flanke zeigte sich ein roter Riß. Diskan schöpfte Schnee mit beiden Händen und brachte ihn dem verletzten Tier. Das Lecken wurde unterbrochen und die ruhigen, pupillenlosen Augen betrachteten ihn. Dann fuhr die Zunge über den Schnee, immer wieder, bis sie seine Handflächen erreicht hatte. Er brachte mehr Schnee, bis der Pelzige sich schließlich seinen Wunden wieder zuwandte.
    Diskan zögerte. Die Nacht nahte. Er wollte in die Sicherheit der Unterkunft zurückkehren. Aber er konnte nicht einfach davonlaufen und das verletzte Tier hier allein lassen. Es konnte sterben, wenn es schutzlos der Kälte der Nacht ausgesetzt war. Aber er konnte es auch nicht durch das zerklüftete Land tragen.
    Ein leises Klagen – der Pelzige hatte sich erhoben und sah ihn an. Zum zweiten Mal sah Diskan direkt in jene Augen, und wieder empfand er dieses eigenartige Gefühl sich vermengender Identitäten. Dies hier war nicht das gleiche wie sein Kontakt mit den Varch, jenen Tieren auf Nyborg, die er mit seinem projizierten Willen dazu gebracht hatte, sich nach seinen Wünschen zu bewegen. Er wandte sich ab, bemühte sich, nicht mehr in jene Augen zu sehen, um nicht dort sein zu müssen, wo die Angst herrschte.
    Er ging die alte Straße entlang, und der Pelzige hinkte neben ihm her. Diskan war sich seiner Bewegungen bewußt, aber nur wie jemand, der sich in einem Traum bewegt. Und er konnte auch den Rhythmus seiner eigenen Schritte nicht unterbrechen. Was er hier erlebte, war – genau umgekehrt – das, was er mit dem Varch gemacht hatte. Genau wie der Varch nach seinen Befehlen geflogen war, so bewegte er sich nun nach dem Willen des Tieres neben ihm.
    Der Kampf der Willenskräfte endete für Diskan nur in Erschöpfung. Er zog seinen Geist zurück und ließ seinen Körper gehorchen. Ein Kampf bis zum Letzten nützte ihm nichts.
    Hie und da, wenn sie eine Rast einlegten, lehnte sich das Tier gegen Diskans Hüfte. Aus eigenem Antrieb packte er dann dieses lose Bündel aus Haut und Pelz bei den Schultern und hielt es fest. Das Belecken der Wunden schien die Blutungen weitgehend gestillt zu haben, aber seine Bewegungen waren langsam und erfolgten offenbar unter großen Schmerzen.
    Zusammen durchwanderten sie den Paß, den das tote Untier verteidigt hatte. Und nun führte die alte, verwitterte Straße in ausgewaschenen, zerbröckelnden Treppen nach unten. Diskan blieb oben stehen, und jener Teil seines Gehirns, der nichts mit dem Gehorsam gegenüber den Befehlen seines Begleiters, nichts mit der Koordination seiner Bewegungen zu tun hatte, registrierte, was seine Augen sahen.
    Der Kammrücken des Hochlands wurde hier von einem Sumpfgebiet, das sich ziemlich weit erstreckte, fast in zwei Teile zerschnitten. Die Umrandung des Tales, in dem sich die Unterkunft befand, mußte aus einer einzigen, dünnen Felswand bestehen, die nun zu ihrer Linken lag. Die Treppen wurden, je mehr sie sich dem Sumpfgebiet näherten, breiter, und von der letzten Treppe aus ging es direkt hinein in die nassen Niederungen. Es war spät am Nachmittag, aber die Schatten waren noch nicht dicht genug, um zu verhüllen, was dort unten aus Wasser und Moor herausragte – eckige Würfel, Blöcke von einem matten Schwarz, wohlgeformt, als seien es die Dächer einer längst versunkenen Stadt, die hier aus ihrem Grab herausragten.
    Aber ganz gleich, wie angestrengt Diskan ein solches Gebäude anstarrte, wie sehr er versuchte, sich auf seine Größe zu konzentrieren, seine Form und seine Lage zu den anderen auszumachen – ein unbeschreiblicher

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