Der Falke des Lichts
Aber so, wie du angezogen bist, kannst du nicht rumlaufen. Der Sohn eines Königs kann nicht die Kleidung eines sächsischen Hörigen tragen. Aldwulf hast du eine Narbe zurückgelassen, und dafür hättest du zumindest das Recht auf einen anständigen Umhang. Selbst wenn du nicht zur Runde gehörst. Komm, wir gehen in die Lagerräume und suchen ein bißchen für dich zusammen.«
Agravain zog sich auch an, und wir gingen den Hügel hinauf, an der Festhalle vorbei. Die Lagerräume lagen auf der Westseite des Hügels. Agravain gab sich große Mühe, mich nicht wieder dadurch zu verstö-ren, daß er Artus’ Entscheidung erwähnte oder das, was als nächstes geschah. Statt dessen zeigte er mir die Sehenswürdigkeiten von Camlann. Trotzdem fiel mir auf, daß er verzweifelt nach einer Lösung suchte.
Die Lagerräume bestanden aus vielen weit verstreuten Gebäuden, die niedrige Dächer hatten und dunkel waren. Die meisten waren neu erbaut, um das Beutegut des Hohen Königs aufzunehmen. All diese Gebäude legten deutlich Zeugnis davon ab, daß Artus als Feldherr erfolgreich war, denn sie waren mit Haufen von Kleidern, mit Waffen und Schmuck, importierten Töpferwaren, goldenen und silbernen Schalen und Gefäßen aus Horn und Glas wie auch aus Holz, Bronze und Ton gefüllt. Lebensmittel waren nicht viele da, aber man kann beim Plündern im Frühling auch nicht viel finden. Alle Güter waren von den Sachsen genommen worden, entweder aus ihrem eigenen Gebiet oder durch Rücknahme von Beute aus britischen Königreichen. Agravain sagte mir, die Sachen würden meistens verkauft, an diejenigen, die dafür mit Korn oder anderen Lebensmitteln bezahlen konnten. »Der Hohe König zieht allerdings Korn vor«, fuhr er fort, »für die Pferde. Die Kriegspferde der Runde fressen die Ernte eines ganzen Königreichs auf, glaube ich. Dennoch, ich habe mitgeholfen, um all dies zu gewinnen, also kann ich auch helfen, es wieder loszuwerden. Wähle aus, was du willst. Und ich gebe dir noch ein Pferd dazu.« Agra-vain zögerte, dann endlich begegnete er meinem Blick und stellte seine Frage: »Wohin wirst du gehen?«
Ich wußte nicht genau, wie ich es formulieren sollte. »Ich werde nicht gehen«, sagte ich schließlich ganz einfach. »Ich werde dem Pendragon Artus auf eigene Gefahr folgen, bis er mich akzeptiert. Irgendwann muß er einsehen, daß ich kein Zauberer bin, sondern ein Krieger, der seinen Met wert ist.«
Agravain starrte mich lange an. Dann grinste er wild. »Das ist die Entscheidung eines Kriegers, eine Entscheidung, die ein Lied wert ist! Wirklich, zeig ihnen, daß sie sich alle irren, bring ihnen bei, daß sie dich nicht verleumden können!« Dann hielt er inne und runzelte die Stirn. »Aber es wird schwierig werden. Artus ist ein edler König, und er wird dir seine Gastfreundschaft nicht verweigern. Aber Cei ist jetzt dein Feind. Letzte Nacht, da hast du ihm angst gemacht, und außerdem hat er sich blamiert. Das erträgt er nicht. Dazu kommt noch, daß er der Befehlshaber des Fußvolkes ist, und er besitzt sogar einen eigenen lateinischen Titel dafür. Er ist ein Mann, den man besser nicht beleidigt
- dennoch ist er tapfer und ehrlich und ein guter Freund.«
»Ich muß es versuchen, ob Cei nun mein Feind ist oder nicht. Es ist alles, was ich tun kann.«
Agravain war jetzt viel glücklicher, während wir ein paar neue, »angemessenere« Kleidungsstücke aus den Haufen suchten. Als ich eine gute wollene Tunika und Beinlinge hatte, suchte mein Bruder einen anderen Haufen Kleidung durch, um eine Lederweste wiederzufinden, die er vor anderthalb Monaten gewonnen hatte. Er glaubte, daß sie mir paßte, und außerdem waren ein paar Metallplatten daraufgenäht. Sie paßte, und er drängte sie mir auf. Er sagte, er könne sie verschenken, an wen er wolle. Westen mit solchen Metallplatten sind nicht so gut wie Kettenhemden, aber Kettenhemden sind selten und wertvoll. Agravain besaß nur ein einziges Kettenhemd, und er hätte es mir gegeben, wenn es mir gepaßt hätte.
Außer der Weste fand ich noch einen Schild aus gekalktem Holz mit einem Stahlrand. Er war einfach, aber gut und solide gearbeitet. Und ich nahm einen langen, gut ausbalancierten Speer mit blattförmiger Spitze und fünf Wurfspeere.
»Jetzt brauchst du nur noch einen Mantel«, sagte Agravain mit Befriedigung. »Was für einen.«
»Einen roten«, sagte eine fremde Stimme hinter uns.
»Taliesin«, rief Agravain und begrüßte den Mann, der in der Tür stand und uns mit
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