Der Falke des Lichts
ich ihn in Erinnerung hatte. Er war wütend, seine Ohren waren zurückgelegt und seine Nüstern gebläht und rot. Ein paar von Artus’ Dienern umringten ihn und hielten Seile und gesenkte Speere. Einer der Diener lag am Boden; sein Gesicht war weiß, und er umklammerte seine Magengegend. Andere versuchten ihm aufzuhelfen. Direkt vor dem Pferd stand Artus.
»Herr, sei vorsichtig«, rief einer der Diener. »Die Bestie ist bösartig. Ein Mörder. Sieh nur, was der Hengst mit Gwefyl gemacht hat!«
Artus überhörte sie alle und machte noch einen Schritt auf das Pferd zu. Ceincaled wich zurück, wieherte, schleuderte den Kopf hoch. Artus lächelte. Ein Licht brannte in seinen Augen. Er machte noch einen Schritt vorwärts und streckte die Hand aus, halb bittend, halb befehlend, und er sprach langsam und beruhigend mit dem Tier.
Der Hengst schnaubte, aber seine Ohren zuckten nach vorn. Er betrachtete den König mit stolzen Augen. »Sei still«, sagte Artus. Das Pferd riß den Kopf hoch, schnaubte wieder, stampfte voller Ungeduld. Aber es blieb stehen und bewegte sich nicht, als Artus näher herantrat und seinen Kopf umfing.
»Er ist nicht bösartig«, sagte Artus. »Aber er ist stolz und mißtrauisch. Und er liebt seine Freiheit.«
Ceincaled stampfte und riß den Kopf weg. Aber seine Ohren blieben weiter nach vorn gerichtet; er hörte Artus zu.
Ich ließ die Kante der Tür los, die ich umklammert hatte, und begann wieder zu atmen. »Ceincaled!« rief ich.
Sein Kopf schoß hoch, und er riß sich von Artus’ Griff los und kam im kurzen Galopp zu mir herüber. Er stupste mich an die Schulter. Ich ließ meine Hand über seinen Nacken gleiten, und wieder versetzte mich seine Schönheit in Erstaunen. »Ceincaled«, wiederholte ich und fügte auf irisch hinzu: »Warum bist du zurückgekommen, du Leuchtender? Dies ist kein Ort für dich.«
»Bei der Sonne«, flüsterte Agravain hinter mir mit großer Bewunderung. »Was für ein Pferd!«
»Ist es dein Pferd?« fragte Artus und kam heran. Auf seinem Gesicht war ein Ausdruck der Enttäuschung, gemischt mit etwas anderem. »Ich hätte es wissen sollen. Es ist ohne Zweifel das Pferd, das du Cerdic gestohlen hast.«
»Er gehört mir nicht. Wie kann ein Sterblicher solch ein Tier besitzen? Ich habe ihm vor drei Tagen die Freiheit gegeben.«
»Ich glaube nichtsdestoweniger, daß er dir gehört«, erwiderte Artus mit rauher Stimme. Er zögerte, schaute von mir zu dem Pferd hinüber. Er legte die Hand auf die Schulter des Hengstes, schaute mich wieder an, schien irgendeine Beschuldigung brüllen zu wollen und hielt sich dann zurück. »Nun gut, dann nimm ihn und tu mit ihm, was du willst.«
»Aber er ist nicht mein! Ich habe ihn freigelassen.«
»Als CuChulainn starb«, sagte Taliesin, der wie aus dem Nichts aufgetaucht war, »kehrte der Liath Macha, den der Held am gleichen Tag freigegeben hatte, an die Seite seines Herrn zurück, um dort zu sterben. Auch Liath Macha war eines der Pferde der Sidhe, und damit unsterblich.«
»Das ist nur eine Geschichte«, sagte ich. »Und das war auch CuChulainn. Ceincaled ist wirklich. Warum sollte er auf der Erde sterben?«
»Er ist gekommen, um dich zu suchen«, erwiderte Taliesin ruhig. »Pferde sind große Narren, wenn es um ihre Herren geht, und sie folgen ihren Reitern, ohne nachzudenken, weil sie annehmen, daß es dort sicher ist. Selbst unsterbliche Pferde tun das.« Taliesin lächelte und streckte die Hand aus. Ceincaled warf den Kopf hoch und beschnupperte die Hand, und seine Ohren zuckten wieder nach vorn.
Ich schaute das Perd an, und ich dachte an das Wunder, das Land der ewig Jungen und an diese Welt. Mir fiel der Augenblick wieder ein, wo ich Ceincaled zum erstenmal geritten hatte, wo unsere Seelen sich getroffen hatten. Voller Erstaunen hatte mir Ceincaled seine Liebe geboten, und ich wußte, daß Taliesin recht hatte. Ich streichelte den weißen Nacken.
»Du bist ein Narr«, sagte ich meinem Pferd leise auf irisch. »Mein Strahlender, mein Schöner, du bist dumm. Hier wirst du am Ende nichts finden als den Tod.«
Er schnaubte und knabberte an meinem Haar.
»Also dann, wie du willst«, flüsterte ich und senkte den Kopf. Ich hätte um ihn weinen können.
»Du hast also jetzt ein Pferd«, sagte Artus scharf, »und ich sehe, daß dein Bruder Waffen und Kleider für dich besorgt hat. Jetzt mußt du nur noch irgendwo Dienst finden, und dazu solltest du jetzt leicht in der Lage sein.« Er schaute wieder Ceincaled an, und
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