Der Falke des Lichts
beschwichtigen, denn die hatten ebenfalls ihre Güter verloren.
Urien war entzückt.
»Bei der Sonne und den himmlischen Heerscharen«, sagte er zu Artus, als wir wieder in Caer Ebrauc feierten. »Noch diesen Winter wirst du sie geschlagen haben!«
Artus schüttelte den Kopf. »Von jetzt an wird es schwerer werden. Sie wissen, wie schnell wir reiten können. Und ihrer Armee können wir noch immer nichts entgegensetzen. Das wissen sie. Ich glaube, sie haben gelernt, ihre Überfälle nicht zu tief in britisches Territorium hineinzuführen, weil wir sonst zurückschlagen. Aber sie werden sich jetzt schützen, und wahrscheinlich unternehmen sie kürzere Überfälle. Nun, wenn es so weitergeht - dann schaffen wir die Sachsen vielleicht bis zum Sommer.«
Urien lachte. »Zum Sommer? Ich kämpfe jetzt seit Jahren, und ich bin froh gewesen, daß ich mein Eigentum bis jetzt behalten konnte. Ja, du hast gute Krieger, die wissen, wie man einen Krieg führt. Dein Freund Bedwyr scheint mir in der Lage zu sein, die >Familie< ganz allein zu führen« - Bedwyr, der wie immer in der Nähe Artus’ saß, lächelte über das Kompliment, aber er machte eine abwertende Geste. »Und Cei ap Cynryr ist ein Mann, der in jeder anderen Truppe Feldherr sein könnte. Und Gereint und Goronwy und Cynan und mein Neffe Agravain, die haben sich ihren Ruhm auch wohl verdient, das ist doch klar. Keiner von meinen Gefolgsleuten kann es ihnen gleichtun. Außerdem muß ich meine Küsten bewachen, oder die dreimal verdammten Iren würden mir die Festung unter dem Hintern wegbrennen.« Urien machte eine Pause und nahm noch einen Schluck von Caradocs Wein. Dann schaute er Artus mit einem Glitzern in den Augen an. »Und Gawain ap Lot, der kämpft so gut, daß die Poeten Lieder darüber machen, auch wenn er nicht zur >Familie< gehört.«
Artus zuckte die Achseln und wechselte das Thema.
Agravain starrte Artus wütend an und hackte dann finster auf das Stück Wildkeule los, das vor ihm lag. Cei wiederum starrte Agravain an, und beide warfen dann einen fragenden Blick auf Bedwyr. Bedwyr war sowohl Ceis als auch Artus’ Freund, und Cei erwartete, daß der Bretone sich bei der Debatte um Artus’ dauernde Ablehnung meiner Dienste auf seine Seite schlug. Viele der Krieger, die meine Art zu kämpfen bewunderten und die es für gut hielten, daß ich anderen Königen nicht dienen wollte, diskutierten endlos über Artus’ Gründe und gaben ihm häufig die Schuld. Dadurch wiederum ergaben sich Zwistigkeiten unter den Kriegern. Bedwyr allein versuchte neutral zu bleiben, und Cei ärgerte sich über diese Neutralität.
»Ja, es ist wahr, Falke der Schlacht«, meinte Urien, während er Artus’ Themawechsel ablehnte und sich mir wieder zuwandte. »Wie ist das Scharmützel verlaufen, das einen halben Tagesritt südöstlich von der Grenze stattgefunden hat? Ich war nicht dabei.«
Urien bedauerte es immer, wenn er einen guten Kampf verpaßte. Ich hatte ihm das Scharmützel schon erzählt und fragte mich, ob er mir wohl auch einen Platz in seinem Heer anbieten würde. Offenbar wartete er auf seine Chance, und ich glaube, daß er wie Caradoc Artus privat ein bißchen ausgefragt hatte. Aber offenbar glaubte er die Antworten nicht, die er bekommen hatte. Vielleicht wartete er darauf, daß ich müde wurde und Artus verließ, ehe er sein Angebot machte. Er hatte mir Geschenke gegeben, einen Mantel aus bestickter Seide, importiert aus Italien, und einen sehr schönen Schild mit einem Schildbuckel aus Emaillearbeit. Der Schild war viel zu schön, als daß man ihn benutzen konnte. Urien war ein großzügiger Mensch, er war offenherzig, er war mutig in der Schlacht, er war loyal und liebte Met, Musik und Frauen. Er war ein guter Mann, ein Mann, dem man trauen konnte. Aber ich wollte ihm nicht folgen. Zu vielen Dingen gegenüber war er blind. Das einzige Land, das er kannte, gehörte seinem eigenen Clan, und er fühlte den Clans gegenüber, die ihm Gefolgschaft leisteten, nur ein bißchen vage Verantwortlichkeit. Auch die Pflichten Artus gegenüber waren ihm nicht ganz klar. Er besaß nichts von Artus’ Klarblick, Artus’ strahlendem Verstand, nichts von seiner Gewohnheit, sowohl sich selbst als auch seine Besitztümer seinen Zielen zu opfern, und nichts von seiner Höflichkeit und Fröhlichkeit. Auch Uriens Truppe war nicht die »Familie«. Ich kannte die »Familie« jetzt, und es war wirklich eine. Es war eine Gruppe von Brüdern. So mußte es gewesen sein in der Truppe des
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