Der Falke des Lichts
daß sie mich nicht für wertlos halten. Ich wollte.« Ich stellte fest, daß meine Kehle zusammengeschnürt war und daß sie plötzlich schmerzte, weil all meine Wünsche vergebens waren. Ich nippte von dem Wein, rollte ihn im Mund herum und schluckte. Der Geschmack war herb. Es war roter Wein. In den Schatten von Morgas’ Zimmer war er so dunkel wie Blut und hatte nicht das rubinfarbene Feuer wie an dem Tag, als ich von Lot hörte, daß der Pendragon tot war.
»Ich will diese Dinge nicht mehr«, sagte ich. »Ich bin kein Krieger.«
»Du bist nicht von ihrer Art«, sagte Morgas. Sie setzte sich dicht neben mich. Sie und das Zimmer, beide rochen nach Moschus, nach tiefen Geheimnissen. Die Pupillen ihrer Augen hatten sich geweitet und tranken das Licht des Zimmers in ihre süße Dunkelheit.
Ich nippte wieder von dem Wein. Er war stärker als das Ale, an das ich gewöhnt war. Er war gut.
»Aber ich will sie bekämpfen«, sagte ich. »Mit Kenntnissen. Mit Dingen, die sie nicht verstehen, weil sie Angst haben, sie anzuschauen. Ich will ihnen zeigen, wer ich wirklich bin.«
»So?«
»Ist es wahr, daß du eine Hexe bist?«
»Und wenn ich es wäre?« Ihre Stimme war weich, weicher als Eulenfedern in der Dunkelheit.
»Wenn du es wärst, dann würde ich dich bitten, mich zu lehren. solche Dinge.«
Sie lächelte wieder, ein geheimes Lächeln nur für uns beide. »Es gibt viele Arten von Macht in der Welt, Gawain«, sagte sie. »Viele Mächte.
Sie können genutzt werden, aber jede Macht hat ihre eigenen Gefahren. Ja, die Gefahren mancher Mächte sind so groß, mein Falke, daß du sie nicht verstehen könntest. Dennoch, der Lohn ist ebenfalls groß. Je größer die Macht, desto größer der Lohn.« Sie umklammerte plötzlich meine Hand. Ihr Griff war so kalt wie der Winter, so stark wie harter Stahl. »Großer Lohn, mein Frühlingsfalke. Ich habe mit gewissen Dingen bezahlt.« Sie lachte. »Und es wird mehr kommen, mehr zu bezahlen sein. Aber mein ist die größte Macht. Ich werde. Unsterblichkeit erlangen. Kein Lebender kann es mir jetzt in der Magie gleichtun. Ich habe Macht, mein Sohn! Ich habe sehr große Macht. Ich habe mit den Anführern der wilden Jagd gesprochen, mit dem Herrn von Iffern, mit den Kelpies des tiefen Meeres und mit den Dämonen, die in fernen, finsteren Tiefen der Unterwelt leben. Ich bin größer als sie. Ich bin eine Königin, Gawain, Königin eines Reiches, das Lot nur ahnt und vor dem er sich fürchtet. Und ich habe dich beobachtet, mein Falke. Es ist Macht in dir und Kraft. Jetzt endlich bist du gekommen und hast mich gebeten, dich zu lehren. Du wirst Lehren empfangen.«
Ich verspürte Angst, aber mir fiel Agravains Verachtung wieder ein, und ich schob die Angst beiseite. Morgas sprach davon, der Dunkelheit zu dienen, aber was war das schon? Sie sprach auch davon, die Dunkelheit, die Finsternis zu beherrschen.
»Dann zeig es mir«, sagte ich, und meine Stimme war genauso leise wie ihre.
»Nicht so schnell! Du vergißt, daß ich auch von Gefahren sprach. Ich will dich lehren, Gawain, aber es wird lange dauern, ehe du die Macht beherrschst, die du suchst. Dennoch wirst du es lernen. Oh, du wirst es lernen, mein Falke, mein Sohn.« Sie nahm ein Messer aus einer verborgenen Scheide und machte sich einen Schnitt am Handgelenk. Dann hielt sie den Arm so, daß das Blut in den Weinbecher floß. Sie reichte mir das Messer, und ohne daß sie etwas sagen mußte, tat ich das gleiche.
Morgas nahm den Becher und trank daraus. Sie senkte ihn wieder, und der rote Wein und das rote Blut waren dunkel um ihren Mund. Sie reichte mir den Becher.
Er war schwer in meinen Händen, feines Kupfer, überzogen mit Gold. Er war kalt, fein gearbeitet und wunderschön. Ich dachte an die Wintersonne draußen, an Agravain, an den Haß der Krieger. Eine Sekunde lang kam mir der Gedanke an den Gwalch und an die weite Reinheit der grauen See. Nein, dachte ich. Das ist eine Lüge. Ich hob den Becher langsam und trank ihn aus. Der Wein war dick, süß und dunkel - dunkler als das tiefste Herz der Mitternacht.
3
Danach war irgendwie alles anders. Meine Mutter lehrte mich nichts außer Latein, Agravain »half« mir bei meinen Waffenübungen, und ich akzeptierte grimmig seine Hilfe. Ich quälte mich mit dem rauhen Holz und dem schweren Metall, das in seinen Händen so leicht und blitzend aussah. Ich ritt über die Insel, ich übte meinen eigenen Kampfstil, manchmal auf dem Pferd. Agravain stritt mit mir darüber, er sagte,
Weitere Kostenlose Bücher