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Der Falke des Lichts

Der Falke des Lichts

Titel: Der Falke des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Bradshaw
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verschwunden.
    Verschwunden.

5
    Sand und Kies war unter mir, und irgendwo ganz in der Nähe donnerte die See.
    Ich hob den Kopf und schaute hinaus über das westliche Meer, das an den schmalen Strand trommelte und zischte und das hinaufflutete zu dem tiefen Teich voll Süßwasser am Fluß der Klippe. Llyn Gwalch.
    Die Erinnerung an die vergangene Nacht kehrte zu mir zurück, und ich lag eine Weile still da und bedachte alles. Ich fühlte mich müde, zu müde, um überhaupt etwas zu fühlen, und die Erinnerung war schwer und hart. Nach einer Weile aber begriff ich, daß ich sehr durstig war, und deshalb kroch ich zum Teich hinauf und trank daraus. Das Wasser war sehr kalt, sehr klar und frisch, sehr köstlich. Ich spritzte es mir über den Kopf, als ich meinen Durst gelöscht hatte, und dann ging ich hinüber, setzte mich, lehnte mich gegen die Klippe und schaute hinaus auf die See.
    Ich dachte an den wilden Ritt, der mich den Pfad zur Klippe hinabgeführt hatte und auf dem der Dämon der Dunkelheit mich gejagt und beinahe den Rand meiner Seele gefaßt hatte. Ich erinnerte mich daran, daß ich Llyn Gwalch erreichte, absaß und mein Pferd mit einem Schlag auf die Kruppe weiterschickte. Dann war ich die Felsen hinuntergeklettert und hatte mich erschöpft in meinem einzigen Versteck niedergelegt. Und offenbar war es in der Tat ein Versteck gewesen, denn ich war noch immer am Leben und bei Verstand. Ich fragte mich, wie lange das wohl dauern würde, und dann wunderte ich mich darüber, weil es doch scheinbar keine Rolle mehr spielte. Ich fühlte mich schwach und leer, aber nicht krank. Nein, ich fühlte mich besser, als ich mich seit langer, langer Zeit gefühlt hatte. Ich war frei. Selbst wenn ich mein Leben verlor, ich war frei.
    Die Sonne war untergegangen, und ihre Strahlen krochen über den Ozean näher. Ich lächelte das Licht an und sagte ihm ein altes Gedicht zum Gruß:
    Willkommen, wohltätige, segnende Sonne,
    Die du durchquerst die Welten von weit.
    Hoch schwebst du auf strahlenden Schwingen,
    milde Mutter des Morgensterns.
    Ein tauchst du am Abend in Tiefen der See,
    Doch entsteigst du stolz wieder den Wogen,
    Befreist von Gefahr dich und Finsternis,
    In heller Schönheit, Königin hold.
    In einem Augenblick schwindeligen Triumphes dachte ich: Ich bin der Sonne gefolgt, der holden Königin. Ich habe meine Schritte vom Avernus zurückverfolgt. Und dann, dicht hinter dem Triumph, kam der Schmerz. Meine Mutter versuchte, mich zu töten. So lebendig, als ob ich es wiedererlebte, sah ich ihre Wut, als ich mein Messer auf Connall niederzischen ließ - den armen Connall. Und ich sah die Finsternis, die aus dem Schatten hinter ihr sprang.
    Ich schauderte. Ich konnte nicht zurück nach Dun Fionn. Ich preßte meine Hände zusammen, bis sie schmerzten, und ich versuchte, nicht zu begreifen, was das hieß. Ich würde nie wieder durch diese lichten Mauern in die Burg einreiten, ich würde nie wieder Orlamhs trockenen, höflichen Erklärungen über Metrik und Genealogien zuhören und auch nicht Diurans groben Witzen. In einem einzigen Schlag hatte ich mich von meiner Sippe und meinem Zuhause getrennt, für immer. Selbst wenn ich irgendwann einmal, später, zurückkehrte, ich würde niemals wiedergewinnen, was ich gerade verloren hatte. Ich hatte die Welt der Krieger schon einmal verloren, und jetzt hatte ich auch die andere Welt verloren, nach der ich mich gesehnt hatte. Wenn ich frei war, dann war es die Freiheit der Ausgestoßenen, der Sippenlosen, der Namenlosen, der Heimatlosen. Ich konnte nicht nach Dun Fionn zurückkehren - und daher, wie konnte ich am Llyn Gwalch sicher sein?
    Vielleicht, dachte ich, durch Überraschung vom Schmerz abgelenkt, vielleicht herrscht hier eine Macht, die der Macht der Königin widersteht.
    Artus fiel mir wieder ein.
    Mit Sicherheit hätte meine Mutter ihn schon vor langer Zeit vernichtet, wenn sie dazu in der Lage gewesen wäre. Sie haßte ihn genug. Aber sie war unfähig, ihn zu vernichten, wegen seiner neuen Götter und seines Gegenzaubers, den meine Mutter nicht verstand.
    Ich erinnerte mich streng daran, daß Artus meinen Vater geschlagen hatte und daß er meinen Bruder als Geisel hielt. Artus sollte mein geschworener Feind sein. Und ich erinnerte mich an die dauernden Kriege, die Britannien zerrissen, an die Invasionen. Aber Strenge nützte mir nichts. Ich begann an all die Orte zu denken, von denen ich gehört hatte: Camlann, mit seinem dreifachen Wall, das neue Herz von

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