Der Falke des Lichts
war in meinem Mund.
»Er ist zu Lot gegangen und hat ihm von meinem Schwur erzählt«, sagte Morgas. »Ich erfülle ein Versprechen. Wir werden mit ihm tun, wie wir mit dem Lamm im letzten Monat taten. Aber ein Mann ist für diese Dinge besser.« Sie lächelte wieder und schaute Connall an. »Zieht ihn in die Mitte.«
Medraut trat nach vorn. Ich stand da, ich starrte, mir war übel. Con-nalls Blick begegnete meinem. In seinen Augen lag das Wissen um einen schrecklichen Tod.
Ich schaute Medraut an und dachte an das, was er gesagt hatte. »Dies ist also ein Irrtum, und Mutter irrt sich.«
Zuletzt schaute ich zu Morgas hinüber, und zum erstenmal sah ich sie ohne Illusion. Eine Macht, gehüllt in menschliches Fleisch, eine Macht, die schon lange die Seele verzehrt hatte, von der sie gerufen worden war. Eine dunkle Macht, eine Königin der Finsternis. Sie hatte sich die Macht zum Diener für ihren Haß gerufen, und als sie sie beherrschte, da hatte sie auch seine Herrschaft willkommen geheißen. Und jeden Tag war Morgas mehr ein Teil dieser Macht geworden und weniger sie selbst. Es war eine Macht, die Leben und Hoffnung und Liebe trank wie Wein. Alt, über jede Begriffe, undenkbar böse, häßlich, trotz ihrer Schönheit, so stand das Wesen da und starrte mich mit einem schwarzen, unersättlichen Hunger an.
Ich schrie auf, und meine Hand hob sich, um sie abzuwehren, und ich sah, daß ich meinen Dolch gepackt hatte.
Ihr Gesicht veränderte sich, wurde wieder das Gesicht einer Frau, und Zorn spiegelte sich darin. Sie hob die Arme, und die Macht umgab sie, leckte an ihr hinauf wie Flammen.
»Gawain!« rief Medraut. »Was tust du?«
»Hinaus«, sagte ich, und meine Stimme war fest. »Seit Jahren ist dies hier nicht mehr Morgas, die Tochter des Uther gewesen. Du mußt hinaus, solange noch Zeit ist. Wenn du mich liebst, wenn du dein Leben liebst, dann geh!«
Medraut schaute mich an. Dann wandte er sich der Königin der Finsternis zu. Sein Gesicht verzerrte sich verzweifelt - und dann trat er auf Morgas zu, machte noch einen Schritt an mir vorüber und stellte sich neben sie. »Du bist wahnsinnig«, sagte er. »Mutter ist vollkommen. Es ist Vater, der sich irrt. Leg das Messer nieder und komm und hilf uns.«
Ich begann zu weinen. »Sie wird Connall opfern.«
Einen Augenblick lang schaute Medraut bedrückt drein, aber sie berührte seine Schultern, und die Unruhe verschwand aus seinem Gesicht. »Sie ist vollkommen. Er hat sie beleidigt. Er verdient es zu sterben.«
»Eines Tages wird sie auch unseren Vater umbringen.«
Medraut lachte tatsächlich. »Gut! Dann werde ich vielleicht. der Nachfolger auf dem Thron! Mutter hat es mir versprochen. Und Artus ist schließlich auch ein Bastard.«
Ich starrte ihn an. Er stand unter ihrer erhobenen Hand, und seine Augen waren wieder wild vor Seelenqual, voll von einem Schmerz, von dem ich nur geahnt hatte. Ich hatte ihn falsch eingeschätzt. Ich hätte begreifen sollen, daß er nicht nur danach strebte, ein guter Krieger zu werden, sondern nach etwas anderem, etwas, das außerhalb seiner Reichweite lag. Es war zu spät, ihm zu helfen.
Ich schaute wieder das Wesen an, das einmal Morgas, die Tochter des Uther, gewesen war. Ich wußte, daß mein Messer ihr nicht schaden konnte. Ich lebte nur, weil sie hoffte, daß ich zu ihr kommen würde. Leicht ist der Abstieg zum Avernus, dachte ich.
Langsam ließ ich die Hand sinken. Medraut lächelte vor Freude, und auch meine Mutter lächelte mich wieder an.
Und dann ließ ich den Dolch direkt auf Connalls Kehle niedersausen. Ich sah den Dank in seinem sterbenden Blick, und ich riß die Tür auf und floh vor der Dunkelheit, die hinter mir aufstieg.
Ich hörte, wie Medraut hinter mir her zur Tür rannte. Sein Ruf klang hinter mir über den Hof: »Verräter! Verräter, Verräter, Verräter.« Es lag fast ein Schluchzen darin.
Dann war ich in den Ställen, und mein Pferd stand wartend in seinem Unterstand, bereit, daß ich aufsaß und in fliegender Hast von Dun Fionn floh und von der Dunkelheit, die hinter mir herlief, voll vom Zorn seiner Königin und schwer von dem Wunsch nach meinem Tod. Und ich saß auf, und ich ritt hinaus durch das Mondlicht und die Wolkenschatten, ich ritt fort von Dun Fionn, ich ritt, ich ritt.
Die Hufe meines Pferdes schleuderten Steine vom Pfad hoch, und die Festung stand einen Augenblick lang erleuchtet vor dem bleidunklen Himmel, und dann umrundete ich den Hügel, und sie war
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