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Der Falke des Lichts

Der Falke des Lichts

Titel: Der Falke des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Bradshaw
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Ich hatte keine Ahnung, wo ich sein konnte. Lugh hatte gesagt, ich solle zu Artus gehen, und Artus kämpfte wahrscheinlich irgendwo in Britannien gegen die Sachsen. Also war ich wahrscheinlich in Britannien und nicht in Erin oder in Kaledonien - oder in Rom oder Konstantinopel. Britannien aber ist ein großes Land, und es gab in den vielen Königreichen nur wenige, die Fremde von den Orkneys willkommen heißen würden. Nun, wenn Artus gegen die Sachsen kämpfte, dann hatte man mich wahrscheinlich irgendwo in seine Nähe geschickt. Das bedeutete, ich war in der Nähe der Grenze eines der sächsischen Länder. Aber es konnte auch sein, daß ich ganz woanders war. Ein gutgeplanter Raubüberfall konnte vielleicht eine Region treffen, die über hundert Meilen vom Wohnsitz der Räuber entfernt liegt. Und die meisten britischen Königreiche grenzten im Osten an sächsische Länder. Nun, wenigstens sollte ich dann nicht nach Osten gehen. Ich stellte an der Sonne die Richtung fest.
    Die Hügelkette lag direkt im Westen. Es sah so aus, als ob man dort schlecht gehen konnte, und ich war nicht daran gewöhnt, große Entfernungen zu Fuß zurückzulegen. Ich sah mich nach einfacherem Gelände um.
    Ich blickte wieder in den Himmel. Der Falke, den ich vorher gesehen hatte, war noch immer da. Er kreiste langsam nach Süden. Diese Richtung war so gut wie jede andere. Ich ging los.
    Nach drei Schritten mußte ich wieder stehenbleiben. Meine Stiefel kniffen ganz schrecklich. Ich setzte mich nieder, um sie nachzusehen, und da sah ich, daß sie viel zu klein waren. So war es auch mit allem anderen, das ich trug. Mir fiel ein, daß Lugh mir gesagt hatte, zweieinhalb Jahre seien vergangen während meines einzigen Tages auf der Insel der Seligen.
    Ich starrte die Stiefel an. Jeder mußte mich für tot halten, vielleicht hatten sie mich sogar vergessen. Es war Spätfrühling. Ich mußte volle siebzehn Jahre alt sein.
    Fast gegen meinen Willen fielen mir wieder Geschichten ein, die von denen handelten, die die Sidhe besuchten. Manchmal zerkrümeln solche Reisenden, wenn sie zurückkehren, um ihre Heimat noch einmal wiederzusehen, einfach zu Staub, sobald sie die sterbliche Erde berühren und ihr Alter zurückkehrt. Oder manchmal verändern sie selbst sich auch nicht, aber auf der Welt sind seit ihrem Verschwinden Jahrhunderte vergangen, und sie wandern jahrelang in den irdischen Ländern umher und fragen nach Personen, die schon lange tot und begraben sind. Ich fühlte mich übel. Angenommen, mit mir war das auch geschehen. Angenommen, daß es nicht nur zweieinhalb Jahre waren, sondern zehn, zwölf, hundert Jahre? Angenommen, ich ginge zur nächsten Heimstätte und fragte nach Artus dem Pendragon, und die Leute sagten: Wer? und schauten mich mit seltsamen Augen an?
    Nein, sagte ich mir fest. Lugh sprach von zweieinhalb Jahren, und er würde mich nicht betrügen. Jetzt ist Frühling, und zweieinhalb Jahre sind vergangen seit der Zeit, als ich Llyn Gwalch verließ. Und wenn das nicht so ist, dann nur darum, weil das Licht es nicht will, und das Licht ist dein eingeschworener Herr, und du mußt seine Anordnungen akzeptieren und Glauben haben.
    Ich schnürte mir die Stiefel auf und zog sie aus. Ich war ja schließlich gewarnt worden, sagte ich mir. Und die Vorteile waren groß. Ehe ich Dun Fionn verlassen hatte, war ich auch schon etwas größer geworden, aber jetzt war ich völlig erwachsen und konnte jedem Herrn in Britannien meine Dienste anbieten - jedem Herrn, der mich haben wollte. Denn ohne Zweifel war ich noch immer ein schlechter Kämpfer.
    Dieser Gedanke ließ mich lächeln, wenn auch zittrig. Ich erinnerte mich an Agravain und Lot und all jene, die versucht hatten, mich in Dun Fionn auszubilden. Damals wollte ich noch Krieger werden. Es war hart gewesen, bitter und hart. Jetzt wenigstens wußte ich, welche Straße ich gehen mußte, und ich wußte, daß es gut war, selbst wenn es schwierig werden würde. Der Aufstieg vom Avernus konnte offenbar nicht in einem Schritt zurückgelegt werden. Mir fiel plötzlich das Licht wieder ein, das ich im Sonnenuntergang auf der Insel der Seligen gesehen hatte, und ich mühte mich, mir wieder einfallen zu lassen, was es bedeutete. Ich konnte es nicht. Aber das Lied in der Halle war noch in meinem Gedächtnis, scharf und strahlend klar. Zu klar: Der Kummer überflutete mich in einer riesigen Welle, gemischt mit Heimweh, und ich hockte mich einen Augenblick lang hin und starrte das Heidekraut an. Es war

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