Der Falke des Lichts
waren weit gebläht und rot, widerspenstig und zornig. Seine Augen waren dunkel und wild vor Stolz. Bei seinem Anblick hielt ich den Atem an.
Der Sachse, der gerade geworfen worden war, krabbelte aus dem Weg, und ein paar Pferdeknechte aus Cerdics Ställen trieben das Pferd mit Peitschen und flatternden Umhängen zurück ins Zentrum des Ringes. Sie fluchten auf das Pferd.
»Diese Bestie ist ein Mörder«, sagte einer der Hörigen, der ein paar Fuß von mir entfernt stand. »Cerdic kann doch nicht glauben, daß er dieses Biest je zähmen wird.«
»Er ist wunderschön«, sagte ich. Der Mann schaute mich an, mißtrauisch und überrascht. Er erkannte mich und zuckte unsicher die Achseln.
»Natürlich«, sagte er, »und stark und schnell. Er könnte jedes Pferd in
Britannien übertreffen, der da. Aber was nützt uns das alles? Er kann ja nicht geritten werden. Du bist neu hier, und woher sollst du es wissen. Aber wir haben seit einem Monat versucht, ihn einzubrechen, und zwar mit Freundlichkeit und mit Schlägen, mit Reiten und mit Aushungern. Aber er ist immer noch nicht zahmer als damals, als Cerdic ihn gerade bekommen hatte. Ich kenne Pferde, und ich sage dir: Dieser Hengst gehört zu der Sorte, die eher sterben, ehe sie gehorchen. Und ehe er stirbt, wird er wahrscheinlich einen von uns mitnehmen. Paß auf da! He, du!. Cerdic wird ihm nicht eher einen Namen geben, als bis er ihn geritten hat. Aber wir, aus seinem Haus, wir nennen die Bestie Ceincaled. Das heißt >rauhe Schönheit<, denn das ist er mit Sicherheit.«
Es dauerte nur kurze Zeit, bis ich die Wahrheit in den Worten des Mannes sah. Das Pferd versuchte, jeden Menschen zu töten, der ihm nah kam. Es lag keine Bösartigkeit in diesen Versuchen, kein Menschenhaß, wie man ihn bei einem Tier findet, das schwer mißhandelt worden ist. Statt dessen war es eine wilde, reine, elementare Kraft, die keine Unterwerfung duldete. Er war stolz, dieser Ceincaled, aber es war kein Menschenstolz. Es war ein Stolz, wie ihn Falken oder Adler haben. Er war wie die Musik in Lughs Halle: herrlich, aber nicht für Menschen. Ich fragte mich, mit welchem dunklen Bannspruch Aldwulf wohl diesen Hengst gefangengenommen und ihn von der Ebene der Freude in die Gefangenschaft und in den zukünftigen Tod in den Ländern der Menschen gebracht hatte.
Während der nächsten beiden Wochen gab es Zeiten, zu denen ich ein starkes Gefühl der Verwandtschaft mit dem Hengst verspürte. Ich war kein Unsterblicher, aber mein Problem war ähnlich. Ich saß in der Falle, und all meine Bemühungen, zu fliehen, kosteten mich nur Zeit und brachten die Zeit, die für meinen Tod festgesetzt worden war, näher.
Cerdic hatte seinen ganzen großen Kriegshaufen bei sich in Sorvio-dunum - um den römischen Namen zu benutzen. Es waren dreihundertzwölf ausgesuchte Krieger, die die Festung bewachten. Außerdem hatte er eine Armee von etwa fünftausend - wie immer war die genaue Zahl unsicher. Das Lager war stets auf den Krieg vorbereitet, und fast jeden Tag zogen Gruppen auf Raub aus oder kehrten zurück. Ich dachte daran, aus dem Lager zu entschlüpfen, wenn eine dieser Gruppen zurückkehrte, und eine Zeitlang lungerte ich am Tor herum oder an niedrigen Stellen in der Mauer. Aber dann scheuchten mich die Wachen fort, die Verdacht geschöpft hatten und die daneben auch noch außerordentlich wachsam waren. Ich betrachtete in Gedanken den Wald, durch den ich gewandert war, und ich schaute von der Hügelfestung darüber hin. Ich dachte, es müsse leicht sein, zwischen diesen Bäumen zu verschwinden. Unglücklicherweise aber erstreckte sich der Wald nur nach Nordosten. Im Westen schlossen sich viele Meilen offene Ebene an die Stadt an, aber ausgerechnet im Westen lag auch das nächste britische Königreich. Und ich wurde beobachtet, selbst wenn es eine Möglichkeit gegeben hätte, die Mauern zu überklettern und die Ebene zu überqueren. Niemand verbot mir, in der Stadt umherzustreifen, aber immer schien ein Höriger oder irgendein Krieger in meiner Nähe zu sein. Cerdic wünschte eben nicht, daß sein Opfer entkam. Dies verstörte mich fast so sehr wie die Furcht vor dem Tod und wie meine immer noch ungelösten Ängste vor mir selbst. Ich hatte mich immer nach Einsamkeit gesehnt, und es ging mir auf die Nerven, daß man sie mir verweigerte.
Ich betete zum Licht, aber mein Gott antwortete nicht. Ich bekam den Drang, einfach Caledvwlch zu ziehen und zu versuchen, mich aus der Festung herauszuhauen. Ich wußte,
Weitere Kostenlose Bücher