Der Falke des Nordens
so in Angst und Schrecken versetzt hatte.
Er streichelte ihre Wangen, dann fuhr er ihr mit den Fingern durchs Haar, während er die Lippen langsam wieder auf ihre presste – und plötzlich spürte Joanna entsetzt, wie sich tief in ihrem Innern etwas zu rühren begann. Sie fühlte eine Erregung in sich aufsteigen, die ihren Puls schneller pochen ließ.
Nein, nur das nicht, wehrte sie sich insgeheim. Aber vergeblich, ihr Körper sprach eine eigene Sprache. Sie öffnete die Lippen und erwiderte seinen Kuss, während sie sich ihm entgegendrängte.
Als er die Zungenspitze über ihre Lippen gleiten ließ, stöhnte sie ganz leise auf, was ihm keineswegs entging. Er flüsterte etwas, das sie nicht verstand. Dann nahm er sie in die Arme und zog sie so fest an sich, dass sie seinen muskulösen Oberkörper an ihren Brüsten spürte. Schließlich teilte er ihr die Lippen mit der Zunge und erforschte ihren Mund. Dabei jagten ihr heiße und kalte Schauer der Erregung über den Rücken. Sie erbebte in seinen Armen, als er eine ihrer Brüste umfasste und die aufgerichtete Spitze zärtlich liebkoste.
Wieso lasse ich das alles geschehen?, fuhr es ihr durch den Kopf. Sie glaubte ihn zu hassen – und trotzdem ließ sie liebevoll die Hände über seine Brust gleiten und spürte das heftige Pochen seines Herzens. Und als er ihren Hals mit vielen kleinen Küssen bedeckte, neigte sie den Kopf nach hinten und stöhnte wieder auf.
Völlig unvermittelt ließ er sie los, sodass sie unsanft in den Sitz zurückfiel. Sie blickte auf und sah ihm in die Augen – und die Zeit schien stillzustehen. Schließlich errötete sie, während Khalil angespannt lächelte.
“Verstehen Sie nun?”, meinte er beinahe lässig und startete den Motor. “Ich nehme nur das, was man mir freiwillig gibt – wie ich bereits sagte.”
Joanna fühlte sich zutiefst gedemütigt. “Ich habe verstanden”, erwiderte sie und versuchte, das Beben in der Stimme zu überspielen. “Weil ich eine Frau bin, hätte ich Ihren mächtigen Khalil nicht beleidigen dürfen.”
“Sie begreifen schnell.”
“In diesem Fall hatte ich leider eine ziemlich lange Leitung. Fahren Sie mich jetzt bitte zurück nach …”
“Wir fahren nicht nach Casablanca zurück, Joanna.” Er wendete zwar den Wagen, schlug aber nicht die Richtung ein, aus der sie gekommen waren. Stattdessen lenkte er das Auto über einen holprigen Feldweg auf ein großes, undefinierbares Gebilde zu, das wie ein Schatten vor ihnen auftauchte. Im Licht der Scheinwerfer erkannte sie, dass es ein kleines zweimotoriges Flugzeug war, wie auch ihr Vater eins besaß. Allerdings verzierte den Rumpf dieser Maschine ein Raubvogel mit gespreizten Flügeln.
Unwillkürlich schrie Joanna auf und griff Khalil ins Lenkrad. Aber geistesgegenwärtig riss er ihr in Sekundenschnelle die Hände weg.
“Lassen Sie das”, befahl er. Dann brachte er den Wagen zum Stehen, stellte den Motor ab, zog den Schlüssel heraus und öffnete die Tür. Joanna sah Gestalten in langen Gewändern herbeieilen, die auf die Knie sanken, als Khalil aus dem Fahrzeug stieg.
“Ist die Maschine abflugbereit?”, fragte er.
“Ja, seit wir Ihre Nachricht erhalten haben, mein Herr”, antwortete einer der Männer, ohne dabei den Kopf zu heben.
Khalil zog Joanna hinter sich her. “Kommen Sie”, befahl er.
Doch sie dachte gar nicht daran, ihm zu folgen, sondern begann, laut zu schreien. Völlig unbeeindruckt hob er sie daraufhin kurz entschlossen auf die Arme, beförderte sie in die Maschine und stieg selbst ein. “Lassen Sie uns rasch abfliegen”, befahl er den Männern.
Wieder verneigten sich alle und legten dabei die Hände an die Stirn. Mit dieser Geste bezeugten sie ihm ihre Ergebenheit.
Plötzlich ging Joanna ein Licht auf. “Sie sind gar nicht der Minister, Sie sind Khalil höchstpersönlich!”
Er lachte spöttisch. “Wie ich schon sagte, Joanna, Sie begreifen schnell!”
Sie wirbelte zu den Männern herum. “Wissen Sie, dass er mich gekidnappt hat? Dafür wird er seinen Kopf verlieren. Sie alle werden …” Als sie das Dröhnen der laufenden Motoren hörte, wandte sie sich wieder an Khalil. “Was wollen Sie damit erreichen?”, fragte sie flehentlich. “Verlangen Sie mehr Geld? Sie brauchen es nur zu sagen …” Als das Flugzeug sich in Bewegung setzte, geriet sie in Panik. “Hören Sie! Bringen Sie mich auf der Stelle zurück. Nein, das brauchen Sie gar nicht, ich kann selbst fahren. Geben Sie mir die Wagenschlüssel
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