Der Falke des Nordens
“Oh, ich wusste nicht, dass Sie es sind.”
Er nickte, während er die Tür hinter sich schloss. “Ja, das habe ich gemerkt.” Er musterte sie langsam von oben bis unten und lächelte schließlich. “Es tut mir außerordentlich leid, Ihnen nichts Besseres anbieten zu können.”
“Es geht auch so”, antwortete sie steif.
“Das stimmt. Das T-Shirt steht Ihnen viel besser als mir”, sagte er mit weicher Stimme, während ein rätselhafter Ausdruck in seinen Augen lag.
Joanna errötete noch mehr. Sie war sich bewusst, dass ihre Brüste und deren zarte Spitzen, die sich unter seinem anerkennenden Blick aufrichteten, sich deutlich unter dem dünnen Baumwollstoff abzeichneten, denn sie trug darunter keinen BH.
“Ich komme deshalb, weil Rachelle mir sagte, Sie seien sehr besorgt”, fuhr Khalil seufzend fort.
Erstaunt blickte sie ihn an. “Besorgt?” Sie lachte auf. “Das ist absurd! Warum sollte ich? Ich bin doch zu Gast bei dem großen Falken des Nordens und verbringe hier eine absolut wunderbare Zeit.”
“Ihnen scheint einiges zu missfallen, obwohl ich mir jede erdenkliche Mühe gebe, Ihnen meine Gastfreundschaft zu erweisen.”
“Ich sagte Ihnen doch, es gefällt mir hier ganz ausgezeichnet! Besonders die Sicherheitsvorkehrungen. Bewaffnete Wachen vor der Tür – beschützter kann man sich doch gar nicht fühlen, nicht wahr?”
Khalil stemmte die Hände in die Hüften. “Versprechen Sie mir, keinen Fluchtversuch zu unternehmen, wenn ich die Wachen abziehe?” Er musste plötzlich lachen, denn die Antwort stand ihr ins Gesicht geschrieben. “Nein, wahrscheinlich nicht.”
“Erwarten Sie wirklich, dass ich so etwas zusage?”
“Ich möchte nicht mit Ihnen diskutieren, Joanna. Rachelle sagt …”
“Rachelle sagt! Um Himmels willen! Wenn Sie wissen wollen, was ich denke, dann fragen Sie mich doch selbst! Ich brauche keine Vermittlerin!”
Ein Lächeln umspielte seine Lippen. “Sie haben recht. Sie halten mit Ihrer Meinung nicht hinter dem Berg.”
“Also, was wollen Sie nun wissen?”, fragte sie betont strahlend.
“Ob der Zimmerservice okay ist? Ob ich gut untergebracht bin? Oder was sonst?” Sie presste die Lippen zusammen. “Doch im Ernst, wann werden Sie mich aus diesem Gefängnis entlassen?”
Khalils Miene wurde finster. “Ihr Schicksal liegt jetzt in den Händen Ihres Vaters, nicht mehr in meinen.”
Joanna versuchte der Verzweiflung, die sie plötzlich überkam, Herr zu werden. “Und, wann kommt er?”
“Ich weiß es nicht”, antwortete Khalil nach kurzem Zögern.
“Sie wissen es nicht?”, wiederholte Joanna, indem sie seine Stimme nachahmte. “Wie soll ich das verstehen? Sie haben doch behauptet, mit ihm in Kontakt getreten zu sein.”
“Das ist richtig. Er hat jedoch auf meine Nachricht noch nicht reagiert.”
“Das kann ich kaum glauben!”, entgegnete sie und warf ihm einen kühlen Blick zu.
“Ich lüge nicht, Joanna”, erklärte er.
Nein? Hatte er etwa nicht gelogen, als er sie in die Wüste lockte und entführte … Nein! Er hatte nicht gelogen, sondern sie. Er hatte nur für sich das Beste aus der Sache gemacht. Im Übrigen hatte er es gar nicht nötig, ihr nun die Unwahrheit zu sagen. Er hatte sich also mit Sam in Verbindung gesetzt – und bis jetzt noch keine Antwort erhalten.
Plötzlich befiel sie Verzweiflung. Als ihr dann auch noch Tränen in die Augen traten, wollte sie sich umdrehen, doch Khalil ging auf sie zu und legte ihr die Hände auf die Schultern. “Joanna?”
Sie blickte auf und bemerkte seinen undefinierbaren Gesichtsausdruck. “Ist er etwa besorgt?”, fragte sie sich überrascht. Dann ging ihr jedoch auf, dass er sich Gedanken um ihren Gemütszustand machen musste, weil er nicht riskieren konnte, dass sie hysterisch wurde.
“Seien Sie unbesorgt, Khalil”, sagte sie deshalb und lächelte spröde, “ich habe nicht vor, Ihnen eine Szene zu machen. Ich habe lediglich darüber nachgedacht, dass Sie von meinem Vater ungemein viel verlangen, indem Sie ihn auffordern, das Projekt aufzugeben.”
“Ja, vielleicht. Andererseits sind Sie es wert, Joanna.”
Wieder spürte sie, wie eine eigenartige Wärme ihren Körper durchflutete. Wie schaffte er es nur, solche Reaktionen in ihr hervorzurufen? Wenn er sie so anschaute wie jetzt, verblasste alles andere und rückte in den Hintergrund – alles außer ihm und seiner Gegenwart, deren Joanna sich allzu deutlich bewusst war.
Dann senkte er den Kopf und berührte ihre Lippen mit
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