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Der Falke des Nordens

Der Falke des Nordens

Titel: Der Falke des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Marton
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angelangt, blieb sie kurz stehen, um sich zu vergewissern, dass das Kind immer noch weinte, dann lief sie auf es zu.
    “Komm, du brauchst doch nicht zu weinen”, tröstete Joanna die Kleine freundlich und setzte sich neben sie. Erstaunt blickte das Mädchen auf. “Hast du mich verstanden? Wenn du so heftig weinst, wirst du bestimmt krank.”
    “Wer bist du?”, fragte das Kind in perfektem Englisch und hob das tränenüberströmte Gesicht.
    “Ich bin Joanna. Und du?”
    “Ich heiße Lilia. Ich habe meinen Ball verloren!” Und wieder flossen Tränen.
    Joanna nahm Lilias Hände in ihre. “Davon geht doch die Welt nicht unter”, sagte sie sanft.
    “Es war ein ganz besonderer Ball, mein Vater hat ihn mir geschenkt und … und er kommt nie mehr zurück!”
    Joanna stand auf. “Dann suchen wir eben den Ball, nicht wahr?” In diesem Augenblick sah sie nicht nur einen, sondern gleich mehrere Wächter auf sich zukommen. Pech gehabt, dachte sie herausfordernd, während sie zu den Sträuchern ging, in denen das Spielzeug verschwunden war.
    Sogleich wurde ihr bewusst, dass das Gebüsch viel dichter war, als es vom Fenster aus den Anschein gehabt hatte. Sie musste sich beeilen, die Wachen würden sie gleich einholen. Rasch streckte sie die Hand in das undurchdringliche grüne Gewirr von Zweigen.
    “Joanna!”
    Verdammt, der Ball musste doch dort irgendwo sein.
    “Joanna! Lassen Sie das! Hören Sie mich?”
    Da war er endlich! Sie hatte ihn. Sie zuckte kurz zusammen, denn sie spürte einen feinen Stich an der Hand, doch was machte das schon? Triumphierend zog sie den gelben Ball hervor – und als sie aufsah, begegnete sie direkt Khalils finsterem, zornigem Blick.
    “Beruhigen Sie sich, Hoheit”, sagte sie kühl. “Natürlich würde ich gern fliehen, aber es würde mir bestimmt nichts bringen, mich unter diesen Sträuchern zu verkriechen.
    “Sie sind eine Närrin.” Er rief Lilia etwas zu, die hinter Joanna hergekommen war. Das kleine Mädchen wischte sich die Tränen vom Gesicht, machte einen Knicks und rannte davon, das Hündchen folgte ihm auf den Fersen.
    In Joannas Augen blitzte es auf. “Sehen Sie nun, da haben Sie den Beweis! Jeder buckelt vor Ihnen, sogar ein Kind, das …”
    Khalil riss ihr den Ball aus der Hand und warf ihn zur Seite. “Riskieren Sie eigentlich immer so viel nur wegen eines dummen Kinderspielzeugs?” Er packte sie fest an den Handgelenken. “Schauen Sie sich das an”, forderte er sie aufgebracht auf und hob ihre Hand hoch.
    Sie tat es – und bemerkte den kleinen Stich im Fleisch zwischen Daumen und Zeigefinger. “Na und?”, fragte sie schnippisch. “Es fehlt mir gerade noch, dass Sie jetzt behaupten, Sie hätten das ganze Theater nur inszeniert, weil ich mich an einem Dorn gestochen habe.”
    “Sehen Sie Dornen an den Büschen?”
    “Dann war es eben etwas anderes. Was ist eigentlich mit Ihnen los, Khalil? Haben Sie Angst, ich würde Sie wegen Körperverletzung verklagen?”
    “Verdammt, Joanna!” Nun umfasste er ihre Schultern und schüttelte Joanna kräftig. “Man sollte Ihnen beibringen, dass eine schlagfertige Antwort nicht immer auch eine kluge ist.”
    “Was es auch war, es wird mich schon nicht umbringen”, erwiderte sie kühl. “Ich versichere Ihnen, ich habe Schlimmeres überlebt.”
    “Sie sind wirklich unglaublich töricht”, fuhr er sie an. “Sie würden gut daran tun, auch einmal den Mund zu halten und zuzuhören.”
    “Wenn Sie jetzt Ihre Rede beendet haben, würde ich gern in mein Zimmer zurückgehen.” Sie lächelte angespannt. “In diesen elenden vier Wänden eingesperrt zu sein ist immer noch besser, als hier herumzustehen und sich mit Ihnen auseinanderzusetzen!”
    Um Khalils Mund zuckte es verräterisch. “Da sind wir endlich einmal einer Meinung.”
    “Also gut”, wollte sie die Unterhaltung beenden und drehte sich um. Doch er hielt sie fest und hob sie dann auf die Arme.
    “Lassen Sie mich los!” Joanna trommelte mit der Faust gegen seine Schulter, während er sie durch den Garten in das kühle Haus trug. “Sind Sie taub, Khalil? Setzen Sie mich ab!”
    “Mit dem größten Vergnügen”, stieß er zwischen den Zähnen hervor. “Sobald ich mit Ihnen fertig bin.”
    “Was soll das heißen?”, erkundigte sie sich und bearbeitete wieder seine Schulter mit der Faust, doch er eilte an ihrem Zimmer vorbei. “Wohin bringen Sie mich?”
    Er blickte auf sie herab, wobei es in seinen Augen gefährlich schimmerte.
    “In meine Räume”,

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