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Der Falke des Pharao

Der Falke des Pharao

Titel: Der Falke des Pharao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynda S. Robinson
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war!«
    Die zweite Stimme antwortete in sanft tadelndem Ton. »Bei Hathors Brüsten, Geb, du entwickelst dich langsam zu einer nörgelnden Hure.«
    Kysen wartete, aber niemand antwortete. Er warf Thesh einen Blick zu und stellte amüsiert fest, daß das Gesicht des Schreibers rot angelaufen war. Er lockerte seinen Griff, und Thesh rief seinen Gruß. Sie wurden gebeten einzutreten.
    Als sie den Hauptraum betraten, mußte Kysen blinzeln, so sehr blendete ihn das Licht. Geweißte Wände spiegelten den Glanz der Lichter wider, und die Wände waren mit leuchtenden Szenen von wilden Tieren und einer Landschaft, die dem Raum eine phantastische, traumähnliche Ausstrahlung verlieh, bemalt. Kysen erspähte das Abbild eines künstlich angelegten Sees, in dem ein Fisch durch das azurblaue Wasser dahinschoß. Zu seiner Linken erhob sich ein Wasservogel aus dem Moor, der von einem Jäger mit einem Wurfgeschoß aufgescheucht worden war. Jede Feder, jede Linie war meisterhaft lebendig gemalt. Kysen wurde schlagartig bewußt, daß diese Wandmalerei zweifellos von der Hand eines begnadeten Künstlers stammte, dem niemand das Wasser reichen konnte. Jetzt erinnerte er sich genauer an Useramun – selbst die Hofmaler hatten Ehrfurcht vor ihm empfunden.
    Ein Knabe verbeugte sich vor ihnen und ging ihnen eilig aus dem Weg. Er gab den Blick auf einen Mann frei, der sich nun von einem Kissen erhob, welches zwischen zwei der zahlreichen großen Lampen lag, die den Raum in taghellen Glanz tauchten. Der Mann kam auf sie zu, machte vor Kysen halt und gluckste vor sich hin. Auf Kysens Arm bildete sich eine Gänsehaut. Er hatte diese Art Lachen schon einmal gehört – ein Lachen voll lüsterner Erwartung. Er hatte es bei Hof gehört, unter den Edelleuten, vor denen sein Vater ihn wohlweislich gewarnt hatte. Gleichzeitig mißtrauisch und interessiert verspürte Kysen eine körperliche Spannung, die er sonst nur im königlichen Palast oder in den Landhäusern bestimmter Prinzen empfand. Erneut ertönte dieses Lachen, und bevor Thesh sprechen konnte, kam der Mann, der Kysen gegenüberstand, näher.
    »Der Diener des Falken, Leben, Wohlstand und Gesundheit mögen dir gewiß sein.« Kysen traf ein boshafter Blick. »Besonders Gesundheit.«
    »Useramun!« zischte Thesh seinem Nachbarn zu.
    Niemals war Kysen dankbarer dafür gewesen, daß Meren ihm beigebracht hatte, wie er sich am Hof eines Herrschers zu verhalten hatte. Er unterdrückte den Impuls, seinen Dolch zu zücken. Er trug ihn ja auch gar nicht bei sich. Statt dessen betrachtete er den Maler ernst. Obwohl Useramun noch näher kam, so nah, daß er die Hitze seines Körpers spüren konnte, blieb Kysen regungslos stehen. Im letzten Augenblick, gerade als Kysen seine Selbstkontrolle zu verlieren drohte, ging Useramun um ihn herum, beschrieb einen Kreis und kam vor ihm wieder zum Stehen.
    Er war ihm immer noch viel zu nahe. Schließlich gestattete sich Kysen eine Reaktion. Er hob die Augenbrauen und riß die Augen weit auf als Ausdruck seines ungläubigen Erstaunens angesichts dieser Verfehlung. Er vernahm ein erneutes, sanftes Lachen und Useramun trat zurück, so daß er außer Reichweite war.
    Kysens Stimme durchschnitt dieses Geräusch. »Ich gestatte Euch, mich beim Namen zu nennen. Ich bin Seth.«
    »Seth«, murmelte Useramun, »Gott des Chaos und der Unruhe. Hat der Name Euch Ruhelosigkeit beschert? Ist Euer Geist ausschweifend und verwirrt wie der Eures Namenspatrons?«
    »Verdammte Ziegenscheiße!« Thesh tauchte an der Seite des Malers auf und stieß seine Worte hervor. »Halte deine liederliche Zunge im Zaum, bevor du Stock oder Peitsche zu spüren bekommst. Dies ist ein Diener des Königs, kein harmloser Gehilfe.«
    Useramun würdigte den Schreiber keines Blickes, sondern fuhr fort, Kysen zu betrachten, als sei er ein Opferbulle. Kysen erwiderte den Blick des Mannes, der genauso groß war wie er. Der Maler gehörte zu der Art von Männern, denen die Götter ein Übermaß an Sinnlichkeit geschenkt haben. Hohe Wangenknochen lenkten den Blick des Betrachters auf seine Augen, die aussahen, als seien sie aus geschmolzenem Obsidian. Seine Unterlippe war voller als die Oberlippe, was seinem Gesicht einen zutiefst sinnlichen Ausdruck verlieh.
    Kysen kämpfte gegen den Wunsch an, seine Hände zur Faust zu ballen. Der Narr hatte ihn bewußt provoziert. Die Gewißheit, daß seine Gestalt ebenso schön war wie seine Malerei, hatte ihm Sicherheit verliehen. Zumindest war er das Risiko eingegangen,

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