Der Falke von Aryn
sich Raphanael heute Abend um Mitternacht bei der alten Mühle bei Burbach stellen soll, allein und ohne Stab. Gibt sich Raphanael Don Amos auf, verspricht er, die Baroness und Arin ohne weiteren Schaden und am Leben freizugeben. Ergäbe Raphanael sich ihm nicht am vereinbarten Ort und zur vereinbarten Zeit, verspricht er, beide am nächsten Tag in Stücken zurückzugeben.«
»Der Mann ist ein Ungeheuer«, brach es aus Barlin heraus. »Götter!«
Es stand noch etwas geschrieben, das Lorentha nicht an Barlin weitergegeben hatte, Don Amos’ hämischer Vorschlag, dass Raphanael ja nicht kommen müsse, da er ja jetzt eine neue Hure hätte, mit der er Bälger zeugen könne.
Jetzt richtete sich Raphanael auf, auch wenn er noch immer ins Leere starrte. »Ich werde mich ihm ergeben«, sagte er tonlos.
Ja, dachte Lorentha bitter. Natürlich musste er so entscheiden, für ihn gab es keine andere Wahl. Nur war das nicht das erste Mal, dass Lorentha so etwas erlebt hatte, viermal hatte sie es schon mit feigen Entführern zu tun gehabt. Arin und die Baroness mochten im Moment noch leben, um Raphanael vielleicht zu anderem zu zwingen. Bei dreien der vier Fälle hatte man sich gefügt, doch in allen Fällen war es aufs Gleiche hinausgelaufen.
»Wie weit ist diese Mühle von hier entfernt?«, fragte sie Barlin, der sie zunächst nicht zu hören schien und ihr erst Antwort gab, als sie die Frage wiederholte. »Einen halben Tag mit einem schnellen Pferd.«
Es mochte möglich sein, dachte sie, wenn sie auch nicht wirklich daran glaubte.
»Raphanael«, wandte sie sich eindringlich an seine Lordschaft. »Ich werde versuchen, sie zu finden.«
Doch er schien sie nicht zu hören, vielmehr hielt er nun die Hand seiner Tochter in der eigenen und liebkoste sie unter Tränen, ein Bild, das sich Lorentha in seiner ganzen Schrecklichkeit einbrannte.
»Barlin«, wandte sie sich jetzt an seinen Freund. »Wenn er wieder bei sich ist, sagt ihm, dass er die Hoffnung halten soll. Schickt einen Boten zum Tempel hin, Weihe oder nicht, Larmeth muss es wissen. Lasst mir ein Pferd satteln und haltet Euch bereit, kurzfristig mit ihm zusammen aufzubrechen, selbst wenn es bedeutet, dass wir ihn auf ein Pferd schnallen müssen.«
Barlin nickte, doch es dauerte einen Moment, bis er verstand, dass er sofort handeln musste. »Sofort«, sagte er mit einem letzten Blick auf seinen Freund und eilte davon.
Sie versuchte, noch einmal zu Raphanael durchzudringen, doch er schien sie kaum wahrzunehmen.
»Lesren«, sagte sie, »der Hurenhüter. Er kennt das Versteck, hörst du? Er wird es mir nennen!«
Langsam hob er den Kopf, um sie anzusehen. »Jesmene«, flüsterte er. »Es tut mir so leid, dass ich sie nicht beschützen konnte.«
Ich werde das bereuen, dachte sie und holte aus, doch allein die Geste schien zu reichen, denn seine Hand fuhr hoch und fing die ihre ab, während er sie mit glühenden, hasserfüllten Augen ansah, in die nur langsam Vernunft zurückkehrte. Er sah auf seine Hand, die ihr Handgelenk wie ein Schraubstock hielt, und ließ sie langsam los.
»Entschuldige«, sagte er mühsam. »Ich dachte, du hättest mich schlagen wollen.«
Da sie genau das vorgehabt hatte, sagte sie besser nichts dazu.
»Der Hurenhüter weiß, wo das Versteck ist, Raphanael«, sagte sie erneut. »Ich greife ihn mir jetzt, und wenn ich weiß, wo es ist, komme ich und hole dich. Es nützt dir nichts, wenn du hier sitzt und dich deinem Schmerz ergibst, Arin und deine Mutter zählen auf dich.«
»Ich weiß«, sagte er. »Deshalb werde ich mich ihm ja auch ergeben.«
»Er wird sie nicht leben lassen«, sagte sie kalt. »Er hat keine Ehre, keinen Anstand, warum soll er sich an das Versprechen halten? Er wird sie töten, aber noch sind sie wahrscheinlich am Leben. Wenn du sie retten willst, müssen wir sie befreien!«
Er nickte langsam, um sich dann zu schütteln wie ein nasser Hund. Er sah auf die Hand seiner Tochter herab und legte sie sanft zurück in die Kiste, die er sorgsam verschloss.
»Ich will es nicht glauben«, sagte er rau. »Aber ich fürchte, du hast recht. Es ist ein schrecklicher Gedanke, aber ich glaube auch nicht, dass er sich an sein Ehrenwort halten wird. Er hat nicht unterschrieben.«
Als ob das einen Unterschied machte, dachte Lorentha, aber im Moment war es wohl zu verzeihen, dass er nicht klar dachte.
»Ich gehe mir Lesren greifen«, sagte sie ihm zum dritten Mal. »Wenn ich weiß, wo das Versteck ist, komme ich zurück, und wir reiten
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