Der Falke von Aryn
fällt der ganze Plan in sich zusammen; ohne ein Wunder kann Visal seinen Anspruch nicht erheben.«
»Gut«, entgegnete Lorentha und stand auf. Sie leerte den wässrigen Wein mit einem Zug. »Ich habe genug von Magie, Sehern, Geheimnissen und Verschwörungen! Lasst uns etwas Sinnvolles tun! Wenn dieser Aragone Dreck fressen muss, damit der Aufstand noch verhindert wird, dann sollten wir dafür sorgen, dass er es auch tut!«
»Don Amos ist in der Stadt?«, fragte Larmeth entsetzt.
»Ja«, erwiderte ihr Bruder hart. »Aber ich habe ihm schon versprochen, dass er es bereuen wird, den Fuß auf dieses Land gesetzt zu haben!«
»Das letzte Mal hat er dich fast umgebracht!«, rief Larmeth entsetzt.
»Ja«, sagte Raphanael grimmig. »Aber diesmal wird er mich nicht überraschen.«
Eine Nachricht
38 Doch als Raphanael entschlossen die Tür des Goldenen Ebers aufstieß und nach dem Aragonen fragte, schüttelte der Wirt nur seinen Kopf.
»Er ist vorhin aufgebrochen. In Begleitung von Lord Visal. Sie waren gekleidet, als hätten sie vor, eine Reise zu tun, aber wohin die Herren aufgebrochen sind, kann ich Euch nicht sagen.«
»Bah!«, sagte Raphanael verärgert, als er in die Kutsche stieg. »Wir haben alle Bruchstücke zusammen, wissen, was sie vorhaben, die ganze Intrige ist aufgelöst … und jetzt sind sie uns doch entwischt!«
Auch Lorentha war verstimmt, doch sie hatte die Hoffnung noch nicht aufgegeben. »Wir werden uns morgen diesen Lesren greifen«, meinte sie beruhigend. »Ich möchte wetten, dass Don Amos und Visal zu dem gleichen Versteck gefahren sind, in dem Hauptmann Mollmer sich mit seinen Weibern vergnügt hat, und dort werden wir wahrscheinlich auch Serrik und den Falken finden. Dieser Hurenhüter wird wissen, wo sich dieser Ort befindet.«
»Wohin?«, fragte Barlin vom Kutschbock.
»Zum Haus der Gräfin«, sagte Raphanael resigniert. »Es ist spät genug.«
Die Kutsche setzte sich in Bewegung. Der Tag hatte nicht nur an Lorentha Spuren hinterlassen, sondern auch an dem feinen Lord, der ihr gegenübersaß und brütete; seine Enttäuschung und sein Zorn waren ihm an jeder Faser anzusehen.
Früher oder später würden sie Don Amos finden, daran hatte Lorentha keinen Zweifel. Entweder verriet ihnen der Hurenhüter, wo er zu finden war, oder Amos selbst gab ihm die Einladung, in seine Falle hineinzuspazieren, oder, als letzte Möglichkeit, Visal inszenierte seinen Aufstand. Spätestens, wenn der goldene Falke fliegen sollte, musste der Aragone zugegen sein.
Doch Lorentha hatte auch seinen letzten Kampf mit dem Ordensmeister der Bruderschaft noch nicht vergessen, und insgeheim teilte sie Larmeths Sorge.
Was, wenn Don Amos in diesem magischen Duell doch die Oberhand behielt? Wieder überraschen konnte? Das letzte Mal war Raphanael nur durch Glück und Barlins Opferbereitschaft dem Tod entkommen.
Nach guter alter kaiserlicher Tradition gab es schon in alten Zeiten etwas, womit die Frauen ihren Helden den Schwertarm stählen konnten und ihnen den Willen gaben, den Kampf zu überleben. Ihre Ehre konnte sie ihm nicht mehr geben, diese war nichts wert, aber es gab etwas anderes, ein anderes Geschenk, das sie ihm geben wollte. Und sich selbst, wie sie sich eingestand. Sie wusste, was sie tat, es war die rechte Zeit dafür, und er war der Erste, für den sie jemals so empfand. Fiel er im Kampf mit dieser falschen Schlange, so blieb vielleicht, so die Götter ihr die Bitte gewährten, doch etwas von ihm in dieser Welt.
Als die Kutsche in die Straße einbog, wo das Haus der Gräfin zu finden war, hatte Lorentha ihre Entscheidung bereits getroffen. Wenn Raban davon gehört hatte, dann wusste schon die ganze Stadt davon, dass sie bereits eine Nacht bei ihm verbracht hatte.
»Raphanael«, sagte sie leise, als Barlin die Kutsche vor dem Haus der Gräfin zum Stillstand brachte.
Er sah auf, dann zum Fenster hinaus.
»Wir sind schon da«, stellte er fest, und es klang bedauernd. Er lächelte schief und beugte sich vor, um ihr den Schlag zu öffnen. »Bis morgen dann?«
Lorentha jedoch machte keinerlei Anstalten, sich zu erheben. »Nein«, sagte sie mit feinem Lächeln und zog den Schlag wieder zu. »Ich will heute Nacht nicht allein sein. Barlin?«, rief sie zum Kutschbock hoch, während Raphanael sie nur ungläubig ansah. »Nach Hause.«
»Sehr wohl, Baroness«, kam Barlins Antwort, und sie vermeinte, ein Grinsen in seiner Stimme hören zu können. Die Kutsche fuhr an, dann erst schien Raphanael zur Gänze
Weitere Kostenlose Bücher