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Der Falke von Aryn

Der Falke von Aryn

Titel: Der Falke von Aryn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Schwartz
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beginnt«, teilte ihr das Mädchen mit und ging zur Tür, wo eine große Schachtel an der Wand lehnte. »Ihre Gnaden hat gestern Nacht noch ihre Schneiderin heranzitiert und ihr den Auftrag für ein Morgenkleid gegeben, ich hörte, sie hätte dafür vier Näherinnen die ganze Nacht wach gehalten, es kam eben erst hier an. Ich bin Mara, Baroness«, plapperte sie weiter. »Meine Mutter ist die Zofe der Herrin, und ich habe viel von ihr gelernt, und ich bin Euch so dankbar, dass Ihr mir erlaubt, Euch als Zofe dienlich zu sein.«
    »Ist das so?«, fragte Lorentha und unterdrückte einen Seufzer. Warum bin ich überrascht?, dachte sie missmutig. So etwas habe ich ja schon befürchtet. Offenbar ließ sich die Gräfin nicht davon abhalten, aus einer hässlichen Ente einen Schwan machen zu wollen.
    Sie streckte sich und schlug die Decke zurück, um innezuhalten, als Mara weite Augen bekam, schlagartig rot wurde und sich hastig umdrehte.
    »Ihr … Ihr habt keine Nachtkleider an!«, stellte Mara völlig richtig fest.
    Lorentha seufzte.
    Die letzten fünf Tage hatte sie in ihrer Rüstung geschlafen, da man ihr auf dem Kurierschiff nur eine Hängematte in der Offizierskabine, die sie sich mit drei anderen hatte teilen müssen, zur Verfügung gestellt hatte. Das letzte Mal, dass sie in einem anständigen Bett geschlafen hatte, war schon gut drei Wochen her. Ohne beengendes Leder in einem weichen Bett zu versinken, war ihr ein Bedürfnis gewesen. Bevor sie sich in ein Kleid zwängte, das nur ihre schlechten Seiten betonen würde, gab es da allerdings noch etwas, von dem sie geträumt hatte und für das sie töten würde. Ein Bad.
    »Es gibt ja wohl nichts an mir, das Sie nicht kennt«, knurrte Lorentha und bereute ihren scharfen Ton schon im nächsten Moment, als sie das Gesicht des Mädchens sah. »Ich wollte Sie nicht in Verlegenheit bringen, aber …«, begann sie, doch Mara schüttelte den Kopf.
    »Das ist es gar nicht«, sagte das Mädchen scheu. »Ich … Ihr habt Narben!«
    »Das geschieht, wenn jemand versucht, dich zu erschlagen, zu erstechen oder zu erschießen«, sagte Lorentha knapp. »Es ist noch alles dran, das ist das Wichtigste.« Sie seufzte. »Ist das Bad schon vorbereitet?«
    »Aber es ist noch gar nicht Lorddag«, antwortete das Mädchen überrascht. »Wir baden immer am …«
    »Lorddag«, beendete Lorentha den Satz der jungen Frau. »Das habe ich verstanden. Letzten Lorddag habe ich über einer Reling gehangen und den Göttern geopfert, nachdem fast ein Mast auf mich gefallen ist. Ich bade jetzt.«
    »Sehr wohl, Baroness«, meinte das Mädchen und tat einen raschen Knicks. Offenbar hatte sie den Kampf aufgegeben. »Ich sage unten in der Küche Bescheid, mit etwas Glück ist sogar heißes Wasser da und … oh«, sagte sie und hielt an der Tür inne. »Die Burschen werden die Wanne und das Wasser bringen, vielleicht solltet Ihr doch …« Sie tat eine verlegene Geste an sich herunter.
    Lorentha nickte und erlaubte sich ein schwaches Lächeln. »Ich habe nicht vor, sie im Gottesgewand zu empfangen«, beruhigte sie das Mädchen, das alsdann eilig floh. Lorentha ging zum Schrank und zog die Türen auf, wie erwartet fand sich dort etwas, ein langer Morgenmantel, der ihr züchtig genug erschien. Sie warf ihn über und beäugte misstrauisch die große Schachtel, um sich doch der Neugier zu ergeben, die Schachtel auf das Bett zu legen und zu öffnen.
    »Oh«, sagte sie und sah staunend auf das Kleid herab. Vielleicht sollte sie der Gräfin in solchen Fragen künftig mehr vertrauen, dachte sie, als sie das Kleid anhob, um es genauer zu betrachten. Es war hochgeschlossen und besaß lange Ärmel, was das Problem verbergen würde, dass sie an Kopf, Hals und Händen unvorteilhaft gebräunt war, während der Rest von ihr an Blässe einer Leiche glich. Die Schleife am hochgeknöpften Hals musste weg, und auf die Bändchen an den Ärmeln konnte sie auch leicht verzichten, aber ansonsten war das Kleid von einer schlichten Eleganz und hatte so gar nichts mit den verspielten Kleidern zu tun, in die ihr Vater sie als Debütantin gezwungen hatte. Es war auch nicht aus Seide oder Samt, sondern aus einem leichten Leinenstoff, der ihr weitaus mehr zusagte. Sie hielt das Kleid vor sich und sah in den Kristallspiegel, noch ein Luxus, den sie lange hatte entbehren müssen.
    Sie musterte sich kritisch in dem Glas, das Haar, das ihr nach der Nacht wie ein Bündel Stroh nach allen Seiten abstand, die Augen, die zu schräg waren, um dem

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