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Der Falke von Aryn

Der Falke von Aryn

Titel: Der Falke von Aryn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Schwartz
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Schönheitsideal zu entsprechen, der Mund, der zu weit war, um auf einen kleinen Kussmund geschminkt zu werden, wie es in der Hauptstadt üblich war, das kantige Kinn, die hohen Wangenknochen, ein unvorteilhaftes Erbe eines Vorfahren aus Ravanne … die Liste ließ sich endlos fortsetzen, das breite Kreuz und die unschönen Muskeln, die Folge der Schwertübungen, denen sie sich bis vor Kurzem viermal die Woche unterzogen hatte … zu groß, zu schwer, zu breit, eine Taille, die von der einer Wespe weit entfernt war … Sie seufzte und legte das Kleid zur Seite, um sich im Glas ihre letzte Wunde anzusehen, ein Stich in die Seite, noch immer rot und hässlich, aber sonst schon gut verheilt.
    Aus einer Ente einen Schwan zu machen, gelang nun einmal nur im Märchen, stellte sie trübe fest und selbst wenn … dann blieb sie immer noch zu groß. Selbst im Frankenreich, wo man stolz auf den nordischen Einfluss war und große Männer schätzte, überragte sie die meisten von ihnen doch um fast einen ganzen Kopf, es war selten genug, dass sie mal einem begegnete, zu dem sie aufschauen musste. Wieder seufzte sie. Herzog Albrecht hingegen war ein blonder Hüne gewesen, mit blitzenden blauen Augen, die sie immer ausgelacht hatten, wenn sie sich über ihre Körpergröße beschwerte. »Für mich«, hatte er gesagt, »bist du ein zierliches Geschöpf.« Sie wischte sich über die Augen, die von der Erinnerung feucht geworden waren, bislang war er der einzige Mann gewesen, in dessen Armen sie sich beschützt und behütet vorgekommen war. Götter, dachte sie, wie kann man jemanden nur so vermissen?
    Es klopfte an der Tür. Reiß dich zusammen, befahl sie sich selbst, zog den Morgenmantel fester um sich und trat an die Tür, um sie für die beiden Burschen zu öffnen, die die Wanne brachten.
    Die beiden Burschen starrten sie mit großen Augen an, als sie ihnen die Tür aufzog, und schienen ihr sehr verlegen, als sie hastig die Wanne hineinbrachten und dann wieder flohen. Ein Blick in den Spiegel verriet den Grund, sie hatte vergessen, ihr Haar zusammenzubinden, so stand es wie eine wilde Mähne ungebändigt ab und glich doch eher einem Rattennest.
    Die Burschen, die sich nun vor der Tür staunend gegenseitig ansahen, bevor sie nach unten eilten, um die Eimer mit dem heißen Wasser herbeizutragen, hatten etwas anderes gesehen. Es war im ganzen Haus wohlbekannt, dass die Baroness die Tochter einer Walküre war, und man hatte sich auch schon reichlich über den späten Gast das Maul zerrissen, bevor Tobas es mitbekam und jedem Prügel versprach, der nur ein Wort über sie ausplauderte. Entsprechend neugierig waren die beiden gewesen. Doch als die Baroness ihnen die Tür öffnete, sahen sie alle Legenden bestätigt, die es über die Walküren gab, göttliche Geschöpfe, geflügelte Kriegerinnen aus alten Zeiten, die für die Götter die gefallenen Helden zu ihren Hallen holten. Flügel hatten die beiden Burschen keine erkennen können, vielleicht verbarg ja der Mantel das Gefieder, aber in allem anderen, darüber waren sich die beiden wortlos einig, entsprach die Baroness all den Legenden, die man sich über die Walküren berichtete. Eine göttliche Kriegerin, groß genug, um selbst den schwersten Helden in die Himmel zu tragen, mit blondem Haar, das wie die Mähne eines Löwen war und in der Sonne golden glänzte, mit stolzer Haltung und ebenmäßigem Gesicht und den grünen Augen einer Katze … ein Geschöpf aus alten Legenden, bei dessen Anblick die beiden Diener Ehrfurcht überkam. Dort am Bett hatte auch ihr Schwert gelehnt, der Dolch hatte auf dem Nachttisch gelegen, Waffen der Magie, die unermesslich kostbar waren, und hätte man den beiden gesagt, dass sie über Wasser und durch Wände gehen konnte, sie hätten es sofort geglaubt.
    Von alldem sah Lorentha freilich nichts, als sie sich im Glas besah, zu oft hatte man sie wegen ihrer Größe verspottet, sie einen Leuchtturm geheißen, ihr vorgeworfen, beim Tanz zu führen, und es zudem als unschicklich verdammt, dass sie keine Hilfe brauchte, um einen Sattel aufzulegen. Ganz davon abgesehen, dass sie es ablehnte, im Damensattel zu reiten.
    All das war mit ein Grund gewesen, dass sie zur Garda gegangen war, dort galt ihr Aussehen weniger, es zählten Fähigkeiten und Taten, und wenn sie auf dem Übungshof einen Waffengang für sich gewann, wurde sie nicht dafür geschmäht, sondern noch gelobt. Jetzt in eine Welt zurückzukehren, in der man sie nur nach dem Äußeren bemaß,

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