Der Falke von Aryn
Gräfin kein Wort darüber, dafür stand sie mit einem erfreuten Lächeln auf, um sich Lorentha anzusehen, die sich sogar für die Gräfin drehte, als diese eine Geste mit dem Finger tat.
»Na also!«, beschied die Gräfin mit blitzenden Augen. »Die Männer werden Euch zu Füßen liegen!«
»Darauf kommt es mir nicht an«, gab Lorentha etwas ungehalten zurück, doch es brachte die Gräfin nur zum Lachen.
»Nun, vielleicht reicht es auch, wenn die anderen Damen vor Neid erblassen«, antwortete sie vergnügt und wies auf den reich gedeckten Frühstückstisch. Sie musterte ihren Gast kritisch. »Es gibt hier und da noch etwas zu tun, aber ich bin sicher, Ihr werdet auf dem Ball Erfolge feiern. Ihr seht nur etwas müde aus … die Überfahrt, hörte ich, ist wohl doch recht anstrengend gewesen.« Doch so, wie ihre Augen funkelten, kam es Lorentha vor, als ob die Gräfin nur zu genau wüsste, warum Lorentha heute Morgen so müde war.
Cerline hingegen sprühte vor Tatendrang, als sie Lorentha über den geplanten Tagesablauf unterrichtete, sie kam der Majorin vor wie ein General, der seinen Truppen Befehle für die Schlacht erteilte.
Ungläubig stellte Lorentha fest, wie umfassend dieser Schlachtplan war, an jede Einzelheit war gedacht. »Viel Zeit zum Essen werdet Ihr nicht haben«, teilte die Gräfin ihr gerade bedauernd mit. »Aber das macht nichts, Ihr werdet wohl kaum hungrig sein.«
»Warum nicht?«, fragte Lorentha, während sie auf ihren Teller herabsah, den sie nun zum zweiten Mal reichlich gefüllt hatte.
»Habt Ihr vergessen, dass die Schneiderin in einer Stunde für die Anprobe erwartet wird? Wenn sie erst einmal Euer neues Korsett angepasst hat und Ihr fest genug verschnürt seid, werdet Ihr nichts mehr essen wollen. Mit etwas Glück können wir bis zum Abend noch ein- oder zweimal nachschnüren, vielleicht lässt sich so Eure Taille überreden, etwas mehr an Form zu zeigen.« Sie sah auf Lorens Hände herab und zog die Augenbrauen zusammen. »Ich habe noch eine Salbe irgendwo, von Isaeth gesegnet, die wir auf Eure Hände auftragen können. Was habt Ihr nur mit ihnen gemacht? Sie sind ganz rau und …«
Lorentha ließ Gabel und Messer sinken, um die Gräfin mit einem harten Blick zu bedenken. »Ich übe mich täglich im Kampf mit Waffen«, teilte sie Cerline erhaben mit. »Meine Form ist gut genug. Mit Verlaub, was Ihr bemängelt, ist das Ergebnis harter Arbeit, und ich habe ganz gewiss nicht die Absicht, mich wie eine Debütantin in ein Korsett zwängen zu lassen, das mir den Atem rauben wird, sollte ich mehr als eine Stufe zugleich nehmen!«
»Eine Dame nimmt niemals mehr als eine Stufe zugleich«, ermahnte die Gräfin sie. »Überhaupt …«
»Nein«, sagte Lorentha mit Bestimmtheit. »Kein Korsett. Keine Seidenschuhe. Keine Handschuhe, um meine hässlichen Hände zu verbergen. Der Gouverneur darf in einem gewissen Rahmen über mich verfügen, aber welcher Rahmen dies ist, bestimme einzig und allein ich. Dieser Mummenschanz ist ganz gewiss nichts, das er mir befehlen kann. Wenn Ihr noch weiter in mich dringt, dann werde ich mich genötigt fühlen, ihm mitzuteilen, dass, wenn er schon die Garda für den Raub des Falken für zuständig erklärt, er sich damit vertrauensvoll an die hiesige Garda wenden kann. Hauptmann Mollmer ist sicherlich fähig dazu.«
Sie funkelte die Gräfin an, und die funkelte zurück. Beinahe hätte Lorentha noch gelacht, als sie sich erinnerte, dass die Gräfin und ihre Mutter sich oftmals genauso angefunkelt hatten, wenn sie nicht einer Meinung waren. Sie glaubte der Gräfin, dass sie es gut mit ihr meinte, doch an Bevormundung war es ihr zu viel.
»Ist er nicht«, sagte die Gräfin jetzt, legte ihr Besteck ebenfalls zur Seite und gab den Bediensteten im Raum ein Zeichen, sich zu entfernen. »Hauptmann Mollmer war ein Hurenjäger und Trunkenbold, ließ die Disziplin schleifen und war zudem noch käuflich. Sein ›Vorbild‹ wirkte sich auch auf jeden in der Garda aus! Er starb vor fünf Wochen an einem Leberkrampf, seitdem führt ein Leutnant das Kommando über die Garda, da man es in der Hauptstadt noch nicht für nötig befunden hat, uns einen Ersatz zu schicken. Dieser Leutnant nimmt sich ganz ein Vorbild an dem Hauptmann und ist eher noch leichter zu kaufen, als es Mollmer war. Wenn Ihr also meint, jemand von Stande würde hier in Aryn der Garda Respekt entgegenbringen, habt Ihr Euch getäuscht, vielmehr ist sie zum Gespött verkommen.« Sie holte tief Luft. »Dies
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