Der Falke von Aryn
gestand sich Lorentha trübe, hielt für sie weit mehr Schrecken, als sie sich jemals bei der Garda hatte stellen müssen.
Das Mädchen kehrte kurz darauf zusammen mit den letzten Eimern heißem Wasser zurück und scheuchte die beiden Burschen heraus, die in ihren Augen zu lange noch an der Tür gelungert hatten. Beim Bad erschien ihr die Baroness seltsam bedrückt und schweigsam, obwohl sich das Mädchen Mühe gab, sie aufzuheitern.
Tobas hatte sie ermahnt, nicht zu sehr zu plappern, weil dies ihre größte Schwäche wäre, doch als Mara von dem Tratsch erzählte, von den Dingen, die man sich auf dem Markt erzählte, von der Köchin, die immer so gewaltig tat und dabei ein Herz auch für das niedere Gesinde hatte, brachte sie die Herrin doch zum Lächeln. So, dachte Mara vergnügt, Tobas weiß es also nicht immer besser!
Während ihre Hände geschickt ihr Werk verrichteten, hier zupften und da zogen, mit Eifer das heiße Eisen schwangen und Locken aufzogen und drehten, plapperte sie also munter weiter, bis sie aufsah, um ihr Werk im Spiegel zu bewundern, und der Anblick ihr die Worte nahm.
»Ihr seid wunderschön«, brach es aus dem Mädchen heraus, was nur dazu führte, dass Lorentha ihre Augenbrauen zusammenzog, die, wie das Glas ihr schonungslos verriet, auch zu buschig ausgefallen waren.
Tatsächlich war Lorentha überrascht, sich selbst so zu sehen, es war zwölf Jahre her, dass sie das letzte Mal ein Kleid getragen hatte.
In ihrer Position blieb dem Mädchen auch nichts anderes übrig, als ihr zu schmeicheln, das gehörte wohl dazu, aber auch Lorentha musste zugeben, dass sie sich so zuvor noch nie gesehen hatte. Es blieb, dass sie zu groß war, das Kreuz zu breit, und ihre Arme Muskeln hatten, aber auch wenn ihre Taille nicht mit zwei Händen zu umfassen war, fand sie, dass sie jetzt doch überraschend gut aussah. Gegen ihre Bräune im Gesicht half kein Puder, Mara hatte es versucht, dann aber schnell aufgegeben, weil es ihrem Gesicht Flecken gab, aber sie hatte die Augen mit einem Kohlestift nachgezogen und die Lippen leicht mit Lippenrot versehen, kein blutiges Rot, sondern nur ein Hauch von Farbe.
»Danke«, sagte Lorentha höflich. »Auch wenn Sie übertreibt.«
Mara, die von Tobas beständig hörte, dass sie der Herrschaft niemals widersprechen sollte, setzte sich über dessen Gesetz hinweg.
»Es ist wahr«, beharrte sie. »Ich übertreibe nicht.«
»Das ist lieb von Ihr«, sagte Lorentha darauf und schenkte dem Mädchen ein freundliches Lächeln. »Wenn es so ist, verdanke ich es Ihr, Sie hat es gut gemacht.«
Vielleicht gefalle ich Raphanael sogar, dachte sie, während Mara strahlte und erneut rot zu werden drohte. Zugleich fragte sich Lorentha, woher bloß dieser Gedanke gekommen war. Ihre Begegnung mit seiner Lordschaft hatte sie überrascht, vor allem, weil ihm das Lachen so leicht gelingen konnte und er auch sie zum Lachen brachte. Er besaß die seltene Gabe, sich über sich selbst zu amüsieren, und obwohl er gut zwei Fingerbreit kleiner als sie war, schien es ihn nicht allzu sehr zu stören. Doch er hatte alles missen lassen, was sie sonst von den Herren kannte, keine anzüglichen Blicke, die an ihrem Busen hängen blieben oder ihren Beinen folgten. Obwohl er sie durchaus betrachtet hatte, doch es fehlte dieser Unterton, den sie so zu hassen gelernt hatte, der besagte, dass eine Frau, wenn sie schon bei der Garda diente, folglich leicht zu haben war.
Er schien sie zu mögen, dachte sie jetzt, als sie Mara anwies, die Bänder von dem Kleid zu entfernen, aber ihre Reize, so sie denn etwas besaß, das ihm gefiel, schien er vollends zu ignorieren.
So war es ihr auch lieber, tadelte sie sich nun selbst, aber wenn sie ihm in ihrem neuen Kleid gefiel, dann war dies alles es vielleicht doch wert. Doch der Gedanke verlor sich, als Mara mit einer anderen Schachtel kam, die als Inhalt zwei geschnürte Schuhe offenbarte, mit einem gut vier Finger hohen Absatz daran, und Lorentha damit entsetzte; sollte sie denn noch größer werden?
»Damit«, teilte Lorentha nun dem Mädchen mit, »braucht Sie mir erst gar nicht zu kommen!«
»Aber …«, begann Mara, die die Schuhe durchaus passend fand.
»Ich werde meine Stiefel tragen«, teilte Lorentha ihr entschieden mit. »Der Saum des Kleids ist lang genug, niemand wird es sehen. Außerdem ist es bestimmt schon Zeit, wir wollen die Gräfin nicht mehr länger warten lassen!«
Das Geheimnis im Medaillon
11 Falls sie zu spät kam, verlor die
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