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Der Falke von Aryn

Der Falke von Aryn

Titel: Der Falke von Aryn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Schwartz
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der sie sorgsam musterte. Es gab allerdings Momente, dachte sie bitter, als sie die Tür schweigend aufzog und sich wieder in den Sessel setzte, in denen sie es bereute, dass ihr manche Wege nunmehr verwehrt waren. Nach Albrecht war Raphanael der erste Mann, mit dem sie sich vorstellen konnte, mehr als nur ein Lager zu teilen. Barlin kam diesmal nicht mit hinein, er zog die Tür von außen zu.
    Raphanael bedachte sie mit einem letzten langen Blick, den sie nur schwer deuten konnte.
    »In Kürze wird meine Mutter darauf bestehen, dass wir uns am Frühstückstisch versammeln, wir haben also nicht viel Zeit«, begann er, doch sie hob die Hand um ihn zu unterbrechen.
    »Deine Mutter?«, fragte sie erstaunt.
    »Ja«, sagte er knapp. »Ich habe sie darüber unterrichtet, dass Ihr unser Gast seid. Ich gestehe, sie war nicht sonderlich erbaut, aber sie trug es mit Fassung. Ich soll Euch zwei Worte von ihr ausrichten: Sie insistiert. Ich kenne meine Mutter besser als Ihr, also lautet mein Rat, dass wir uns fügen sollten. Nachher werden wir gemeinsam die Gräfin aufsuchen und uns um passendere Kleidung für Euch bemühen. Außerdem sollten wir überprüfen, ob sich im Nachlass Eurer Mutter weitere Gegenstände befinden, die sie mit Zaubern belegt hat. All das lässt uns jetzt nicht viel Zeit, wollt Ihr mir also bitte Aufmerksamkeit schenken?«
    Sie setzte sich gerader hin und nickte.
    »Fangen wir mit dem Wichtigsten an. Auch wenn unser Orden nicht viel über den Orden der Walküren weiß, haben wir doch eine Vorstellung davon, welcher Art die Formen der Magie sind, in denen Walküren unterrichtet werden. Wir wissen, oder können es uns denken oder folgern, auf welche Art Euer Orden darauf prüft, ob jemand das Talent besitzt, in den Orden aufgenommen zu werden, und wir haben auch eine grobe Vorstellung davon, wie die Prüfungen aussehen, die Ihr hättet bestehen müssen, um als Walküre in den Orden aufgenommen zu werden.« Er hielt inne, als ob er erwartete, dass sie Fragen stellte, doch bisher sah sie keinen Grund dazu, das konnte sie noch immer tun, wenn er fertig war.
    »Auch wenn die Ausbildung unterschiedlich verläuft, gibt es doch Gemeinsamkeiten, die sich im Wesen der Magie begründen. Es lässt sich so feststellen, wie weit Eure Ausbildung fortgeschritten ist. Unbeherrschte Magie zeigt eine andere Form als ein Talent, das gebändigt und geschult ist, so wie sich ein Hengst in freier Wildbahn anders verhält als ein Hengst, der an Menschen gewöhnt ist und zugeritten wurde.«
    Aus eigener Erfahrung wusste sie, dass der Unterschied manchmal nur sehr gering war, aber er schien auf eine Reaktion zu warten, also nickte sie.
    »Die Runen unten im Keller besitzen einen weiteren Zweck. Je nach Bedingung erlauben sie, die Art, Umfang und Beherrschung eines magischen Talents darzustellen. Indem man sich darauf konzentriert, nur bestimmte Runen zum Leuchten zu bringen, dienen sie auch zur Übung, um bestimmte Formen zu erlernen. Umgekehrt kann man an den Runen das Talent eines anderen ablesen, auch wenn es mehr dem Lesen in Teeblättern gleichkommt als einer Wissenschaft.« Er holte tief Luft. »Dennoch bin ich mir in meiner Einschätzung recht sicher.«
    Vielleicht fehlte es ihr doch an Geduld. Ein Mangel, den ihre Mutter schon immer beklagt hatte. Es dauerte ihr alles zu lange. »Möchtest du vielleicht zum Punkt kommen?«, bat sie ihn.
    »Der Punkt ist, Baroness, dass Ihr mir ein Rätsel seid. Um bei dem Vergleich zu bleiben, Euer Talent gleicht einem Pferd, das vor Jahren sorgsam zugeritten wurde und nun doch wieder in die freie Wildbahn ausgebrochen ist. Nach allem, was ich erkennen kann, verfügt Ihr über ein außergewöhnlich großes Talent, auch wenn ich Teile davon nicht erfassen kann, was wohl darin begründet liegt, dass es dem spezifischen Talent einer Walküre entspricht. Was wichtiger ist: Es deutet alles darauf hin, dass Ihr eine umfassende Ausbildung erhalten habt, die Euch lehrte, Euer Talent zu beherrschen. Zugleich auch darauf, dass Ihr vergessen habt, dass Ihr diese Ausbildung besitzt. Zum Teil ist Euer Talent wundersam ordentlich gefügt, was für eine große Kontrolle spricht, in anderen Teilen ist es wild und ungezügelt und nur im Ansatz gezähmt. Ihr, Baroness, seid eine Walküre, und Ihr hattet recht, diese Gegenstände«, er wies zu den Sachen ihrer Mutter, »sind auf Euch eingestellt. Nur dass es keinen Sinn ergibt, denn ich kann erkennen, dass es nicht erst kürzlich geschah, sondern schon vor

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